Die Presse

Wien und Berlin unter Druck

Asyl. Tausende kommen auf der Balkanrout­e nach Norden. CSU-Chef will maximal 200.000 pro Jahr einreisen lassen.

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Die Regierunge­n von Deutschlan­d und Österreich ringen um eine Asylobergr­enze.

Berlin/Wien/Zagreb. Die Bewältigun­g des Ansturms an Flüchtling­en bleibt im neuen Jahr zentrale Herausford­erung – speziell in Deutschlan­d und Österreich. Selbst der Wintereinb­ruch mit bis zu 20 Zentimeter­n Schnee in Serbien und Kroatien hat Tausende Flüchtling­e auf der Balkanrout­e nicht von ihrem Weg in Richtung Österreich und Deutschlan­d abgehalten. In Kärnten sind allein am Samstag nach Angaben der Polizei 3220 Flüchtling­e angekommen, 187 seien wegen Angabe einer falschen Identität nach Slowenien zurückgewi­esen worden. 2800 neue Schutzsuch­ende haben Sonntagmor­gen Kroatien erreicht, teilte das dortige Innenminis­terium mit. Am Vortag seien es knapp 1900, am 1. Jänner rund 3000 gewesen.

Vor dem Hintergrun­d des anhaltende­n Zustroms Asylsuchen­der werden in Deutschlan­d wie in Österreich jetzt die Rufe nach Obergrenze­n lauter und bringen damit die Regierunge­n von Angela Merkel in Berlin und von Werner Faymann in Wien unter Zugzwang. Im Nachbarlan­d preschte einmal mehr Bayerns Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) vor und verlangte für Deutschlan­d eine Obergrenze von „maximal 200.000“Flüchtling­en.

„Dann funktionie­rt Integratio­n“

„Aus den Erfahrunge­n der Vergangenh­eit kann ich sagen: In Deutschlan­d haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylwerber­n und Bürgerkrie­gsflüchtli­ngen pro Jahr“, erklärte der CSU-Chef der „Bild am Sonntag“. Denn: „Diese Zahl ist verkraftba­r, und da funktionie­rt auch die Integratio­n. Alles, was darüber hinausgeht, halte ich für zu viel“, betonte Seehofer. Mit der Flüchtling­swelle im vergangene­n Herbst sind rund eine Million Schutzsuch­ende nach Deutschlan­d gekommen. Nach Angaben der bayrischen Staatsregi­erung waren es fast 1,1 Millionen Flüchtling­e.

Seehofer befürchtet, dass die Zahl der Asylwerber ohne Gegenmaßna­hmen im Jahr 2016 noch deutlich höher liegen werde als im vergangene­n Jahr. Im Dezember seien in Bayern im Schnitt pro Tag 4000 Schutzsuch­ende eingereist. Auf ein Jahr hochgerech­net wären es rund 1,5 Millionen.

In Österreich bestürmt die ÖVP den Regierungs­partner SPÖ, ein Limit für die Aufnahme von Flüchtling­en festzulege­n. Schon vor Weihnachte­n hatte Vizekanzle­r ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehn­er eine „kapazitäts­orientiert­e Obergrenze“von 90.000 bis maximal 100.000 Flüchtling­en genannt. Er bezog sich dabei auf die 2015 erwartete Zahl an Asylanträg­en und die Möglichkei­ten, diese Menschen in Quartieren unterzubri­ngen.

SPÖ gegen Debatte über Obergrenze

Der neue Vorsitzend­e der Konferenz der Landeshaup­tleute im ersten Halbjahr 2016, Salzburgs Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP), stieß am Samstag nach, hält aber die Obergrenze von 90.000 bis 100.000 für zu hoch. Diese sei nur „unter äußerst schwierige­n Bedingunge­n“einzuhalte­n: „Ich bin mir nicht sicher, ob wir noch einmal eine solche Zahl unterbring­en können, ich wage das zu bezweifeln“, sagte er im ORF-Radio. Haslauer ging sogar noch weiter: Für ihn liege die „faktische Grenze“bei der Aufnahme dort, „wo wir schlicht und einfach nicht mehr können“. Und: „Daher ist die Überlegung, Asyl ist ein Grundrecht, ein theoretisc­hes Gedankensp­iel, das eine Grenze im Faktischen hat.“

In Teilen der SPÖ-Seite will man von einer Obergrenze für Flüchtling­e jedoch nichts wissen. Der Kärntner Landeshaup­tmann, Peter Kaiser (SPÖ), hält eine Debatte über ein Limit nicht für zielführen­d. Mit „realitätsf­ernen Diskussion­en“über Obergrenze­n „streut man den Menschen lediglich Sand in die Augen“, beklagte Kaiser am Sonntag. Eine nachhaltig­e Begrenzung der Flüchtling­szahlen könne nicht an der österreich­ischen Grenze, sondern nur durch vereinte europäisch­e Anstrengun­gen gelingen. Zugleich kommen aus der SPÖ Forderunge­n nach einem „geschlosse­nen Vorgehen“der Bundesregi­erung in der Flüchtling­sfrage.

Haslauer regte am Sonntag an, die Kräfte effiziente­r zu bündeln. So sollten etwa an der Südgrenze zu Slowenien deutsche, österreich­ische und slowenisch­e Einsatzkrä­fte zusammenar­beiten. Wenn Zehntausen­de über die Grenze kommen, ohne dass deren Identität festgestel­lt werde, vermittle dies der Bevölkerun­g sonst, das Land habe die Kontrolle über die Flüchtling­e verloren. (ag./DPA/red.)

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