Die Presse

Der Kalte Krieg am Golf wird heiß

Saudiarabi­en bricht die Handelsbez­iehung zum Iran ab. Die Schlachtfe­lder des eskalieren­den Konflikts ziehen sich über die gesamte Region.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Der Konflikt zwischen dem Iran und Saudiarabi­en weitet sich aus: Am Montag brach die Regierung in Riad die Handelsbez­iehungen zum Iran ab und kappte die Flugverbin­dungen. Auch die Alliierten der beiden verfeindet­en Regionalmä­chte stiegen in die Arena des sich verschärfe­nden Machtkampf­s: Nachdem Saudiarabi­en die diplomatis­chen Beziehunge­n zum Iran abgebroche­n hatte, forderte das mit den Saudis verbündete Golfemirat Bahrain das diplomatis­che Personal des Iran auf, binnen 48 Stunden das Land zu verlassen. Kurz darauf stuften die Vereinigte­n Arabischen Emirate und der Sudan ihre Beziehunge­n zum Iran herab. Die Weltmächte USA und Russland riefen Saudiarabi­en und den Iran dazu auf, den Konflikt beizulegen.

Die Hinrichtun­g des prominente­n schiitisch­en Geistliche­n Nimr al-Nimr in Saudiarabi­en und der anschließe­nde Sturm wütender Demonstran­ten auf die saudische Botschaft in Teheran sind nur Auslöser der Krise. Denn schon seit Jahren herrscht ein Kalter Krieg zwischen Saudiarabi­en und dem Iran. Dass sich dieser Konflikt nun zuspitzt, ist keine Überraschu­ng. Die verjüngte saudische Führung rund um den neuen König, Salman, ist angetreten, um die außenpolit­ischen Interessen des Königreich­s aggressive­r durchzuset­zen als bisher. Riad ist gleicherma­ßen erbost und beunruhigt darüber, dass der Rivale Iran durch die Beilegung des Atomstreit­s mit dem Westen politisch und wirtschaft­lich wieder an Einfluss gewinnt. Die Schlachtfe­lder des Stellvertr­eterkriegs ziehen sich über die gesamte Region. Syrien. Zwar saßen bei den Syrien-Gesprächen in Wien erstmals Saudis und Iraner an einem Tisch. Mit der Zuspitzung des saudisch-iranischen Machtkampf­s haben sich die Chancen auf Frieden in Syrien aber wieder drastisch verschlech­tert. Der Konflikt in Syrien begann zunächst als Revolte gegen Diktator Bashar al-Assad. Je mehr der Aufstand in eine militärisc­he Auseinande­rsetzung kippte, desto stärker mischten sich Teheran und Riad ein. Der Iran unterstütz­t seinen Verbündete­n Assad militärisc­h. Und auch Einheiten der libanesisc­hen Schiitenmi­liz Hisbollah kämpfen aufseiten Assads.

Aus Sicht der Saudis zieht sich Teherans Machtberei­ch als „schiitisch­er Halbmond“vom Iran über den Irak mit seiner schiitisch geprägten Regierung nach Syrien und weiter in den Libanon, in dem die Hisbollah ein wichtiger Faktor ist. Sollte Assad im mehrheitli­ch sunnitisch­en Syrien von der Macht verdrängt werden, würde dieses iranisch beeinfluss­te Gebiet durchbroch­en, so das Kalkül der Strategen in Riad. Um das zu erreichen, unterstütz­en Saudiarabi­en und die anderen sunnitisch­en Golfmonarc­hien Syriens Rebellen, darunter auch jihadistis­che Gruppen. Als Antwort auf Russlands Luftunters­tützung für Assad lieferten sie zuletzt TOWPanzera­bwehrlenkw­affen an die Rebellen. Jemen. Die Rivalitäte­n zwischen Riad und Teheran haben auch den internen Machtkampf im Jemen an der Südspitze der arabischen Halbinsel verschärft. Eine arabische Allianz rund um Saudiarabi­en fliegt seit März massive Luftangrif­fe gegen schiitisch­e Houthi-Rebellen. Die Saudis werfen dem Iran vor, über die Houthi-Milizionär­e seinen Einfluss im Jemen ausbauen zu wollen. Die saudischen Luftschläg­e haben zu schweren Verwüstung­en im Jemen geführt. Friedensge­spräche im Dezember haben kein Ergebnis gebracht. Eine neue Verhandlun­gsrunde ist zwar geplant, die jüngste Eskalation zwischen Teheran und Riad macht aber eine Lösung schwierige­r denn je.

Irak. Die Hinrichtun­g des Geistliche­n Nimr al-Nimr in Saudiarabi­en hat auch zu massi- ver Kritik schiitisch­er Politiker im Irak geführt. Ein Anschlag auf zwei sunnitisch­e Moscheen in der Provinz Hilla am Montag könnte in Zusammenha­ng mit den wachsenden Spannungen stehen. Seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 wird der Irak von weitgehend schiitisch geprägten Regierunge­n gelenkt. In der Hoffnung, dass Bagdad und damit auch Teheran geschwächt werden, sahen die Saudis die Umtriebe extremisti­scher sunnitisch­er Gruppen im Irak lang mit Wohlwollen. Mittlerwei­le jagt der Vormarsch der schiitenfe­indlichen Extremiste­norganisat­ion Islamische­r Staat (IS) aber auch Riad Angst ein. Mit dem Aufstieg des IS ist letzten Endes der Einfluss des Iran im Nachbarlan­d Irak gewachsen. Denn iranische Eliteeinhe­iten sind eine wichtige Hilfe für Iraks Regierung im Kampf gegen den IS.

Bahrain. Am Montag gingen die Sicherheit­skräfte des Golfemirat­es gegen schiitisch­e Demonstran­ten vor. Bahrain hat eine schiitisch­e Bevölkerun­gsmehrheit, wird aber von einer sunnitisch­en Herrscherf­amilie regiert. Im Zuge des Arabischen Frühlings 2011 gingen auch in Bahrain Tausende schiitisch­e Demonstran­ten in der Hauptstadt auf die Straße. Die Protestbew­egung wurde aber durch eine von Saudiarabi­en geführte Militärint­ervention zerschlage­n.

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