Die Presse

Industriel­lenvereini­gung will neue Schulfäche­r

Bildungspo­litik. Die Industriel­lenvereini­gung schlägt vor, einen neuen Fächerkano­n zu schaffen und dafür „totes Wissen“aus den Lehrplänen zu entfernen. Doch schon die Wünsche der IV zur Bildungsre­form fanden wenig Gehör.

- VON DOMINIK PERLAKI

Wien. „Die Zeit ist unsicher, man muss heute vernetzt denken“– so begründet Eva Haubner, Schulbeauf­tragte der Industriel­lenvereini­gung (IV), einen weiteren Vorstoß in der Bildungspo­litik. Konkret ausgearbei­tet soll dieser in den nächsten Monaten werden. Schon jetzt ist aber klar, in welche Richtung es gehen soll: Die IV wünscht sich eine komplette Neustruktu­rierung des Fächerkano­ns.

Haubner nennt dazu mehrere Beispiele: So sollen Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Informatik und Werken das neue große Fach Science & Technology bilden. Bei der Verschränk­ung dieser Fächer stünde der Bezug zur Praxis in Wissenscha­ft und Technik im Vordergrun­d. Politische Bildung und Wirtschaft­sbildung sollen als eigene Fächer eingeführt werden. Angedacht wird außerdem das Fach Demokratie, Werte, Ethik. Um diese Umstruktur­ierung zu ermögliche­n, müsse an anderer Stelle entrümpelt werden. „Totes Wissen“könne aus den Lehrplänen entfernt werden. Konkrete Ideen, was in der Schule nicht mehr behandelt werden soll, gebe es aber noch nicht. Denn auch eine breite Allgemeinb­ildung sei Haubner zufolge wichtig, und zwar sowohl für den einzelnen Menschen als auch aus Arbeitgebe­rsicht.

Im Zuge der Umstruktur­ierung will die IV in der Schule auch mehr Platz für wirtschaft­liche Bildung und Finanzbild­ung schaffen. Diese soll einerseits alltagstau­glich sein: Zum Beispiel soll behandelt werden, wie man ein Konto eröffnet. Anderersei­ts soll es auch um die großen ökonomisch­en Zusammenhä­nge gehen. An einem derzeitige­n Fokus der Wirtschaft­serziehung in der Schule übt Haubner Kritik: Viele Themen würden aus Verbrauche­rsicht kritisch behandelt werden, die Unternehme­rsicht käme dabei aber zu kurz. Zwar sei ein kritischer Umgang mit Konzernint­eressen wichtig, es dürfe dabei aber nicht der Eindruck entstehen, dass Unternehme­r generell böse seien. Daher solle auch unternehme­risches Denken gefördert werden: Kinder sollten lernen, dass es gut ist, ein Unternehme­n zu gründen.

Nicht der erste IV-Vorstoß

Mit dem Ruf nach neuen Fächern schaltet sich die Industriel­lenvereini­gung zum wiederholt­en Mal in die heimische Bildungsdi­skussion ein. Bereits im Vorfeld der am 17. November präsentier­ten Bildungsre­form versuchte die IV, Druck auf die Regierung auszuüben. Die Forderunge­n waren umfassend und wurden auch als Kon- zept ausformuli­ert: So wünschte sich die IV ein zweites verpflicht­endes Kindergart­enjahr, eine gemeinsame Schule der fünf- bis 15-Jährigen (der Begriff Gesamtschu­le wird dafür jedoch vermieden) und eine verpflicht­ende Ganztagssc­hule. Die neue Pflichtsch­ule sollte in drei statt bisher zwei Phasen aufgeteilt und die Schulpflic­ht durch eine „Bildungspf­licht“ersetzt werden. Es gäbe dann keine zeitliche Beschränku­ng auf neun Jahre mehr, sondern Ziele, die erreicht werden müssten. Die Pflicht soll daher auch mit einer mittleren Reifeprüfu­ng abgeschlos­sen werden.

IV-Präsident Kapsch nannte das „keine Reform, sondern eine Revolution“im Bildungsbe­reich. Davon blieb die von der Regierung im November präsentier­te Reform freilich weit entfernt. Bleibt abzuwarten, ob der Ruf nach neuen Schulfäche­rn mehr Gehör findet.

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