Wiener Zen
Bevor
das neue Jahr so richtig losgeht, möchte ich mein kolumnistisches Haus in Ordnung bringen und mich bei all jenen Lesern bedanken, die mich im vergangenen November beim Nachdenken über die spanische Phrase „Muy bien, mi capitan“´ unterstützt haben, die mir zum damaligen Zeitpunkt nicht aus dem Kopf ging: ¡Muchas gracias, muchachas y muchachos! Eine besondere Würdigung gibt es an dieser Stelle für Leserin Milada Wöhrer aus Tribuswinkel, die in ihrer Zuschrift einen Wortwechsel Fidel Castros mit seinem Mitstreiter Camilo Cienfuegos zitierte – und damit meinen Wissenshorizont erweiterte. In der Zwischenzeit hat sich meine Obsession mit Fremdsprachen etwas gelegt. Ich werde in nächster Zeit versuchen, ohne linguistische Eskapaden auszukommen.
Zu dieser positiven Entwicklung beigetragen hat zweifellos mein derzeitiger Aufenthalt in Wien. Zu Ihrer gefälligen Kenntnisnahme: Ich schreibe diese Zeilen am Küchentisch, bekleidet mit einem löchrigen Wollpullover und der gemütlichen Hose, und putsche mich mit einer Tasse Ostfriesentee mit Milch auf. Wie ich dem Beipackzettel entnehmen konnte, trinken die Ostfriesen ihren Tee besonders gerne beim Klönen. Falls Sie jetzt etwas ratlos sein sollten – dabei handelt es sich um einen entspannten Plausch an den Gestaden der Nordsee, wie ich dem Internet entnehmen konnte.
In Wien gibt es zwar kein Meer, dafür aber unzählige Schattierungen von Grau. Die Straßen, die Häuser, die Bäume, der Himmel – alles geht ineinander über, was einen extrem erholsamen Effekt auf mein Gemüt hat. Vor allem zwischen den Jahren, wenn die halbe Stadt das Weite gesucht hat und ich Heimaturlaub mache. Ein Spaziergang durch den winterlichen, menschenleeren Prater hat zu dieser Zeit etwas ungemein Meditatives. Der Atem wird regelmäßig, die Augenmuskeln entspannen sich, der Blick streift das graue Panorama, ohne Details wahrzunehmen – und am Ende der Hauptallee, gleich hinter dem Praterstern, wartet in der Aida-Filiale eine Maronicremeschnitte auf den glücklichen Adepten des Wiener Zen-Buddhismus.
michael.laczynski@diepresse.com