Wenn ein Kartellamt zu einem Kartell rät
Deutsche Autohersteller sollen für selbstfahrende Autos zusammenarbeiten, um gegen Google zu bestehen. Was kümmert eine Wettbewerbsbehörde schon der freie Wettbewerb, wenn es um die internationale Stellung einer wichtigen Industrie geht?
Ziemlich ungewöhnlich hat sich Andreas Mundt, der Präsident des Deutschen Kartellamts, in einem Interview mit der Tageszeitung „Rheinische Post“geäußert: Um im Bereich der selbstfahrenden Autos nicht von Internetriesen wie Google abhängig zu werden, sollen die deutschen Autohersteller stärker zusammenarbeiten. Er erklärt damit, warum seine Stelle erst im Herbst einem Konsortium aus BMW, Audi und Daimler eine durchaus marktrelevante Übernahme erlaubt hat: Die drei Hersteller haben von Nokia um 2,8 Milliarden Euro den Kartendienst Here gekauft – und dieser ist immerhin der größte Navigationsdienst Europas.
Möglich war das freilich nur, weil die drei Premiumautomarken zugesichert haben, dass der Kartendienst nicht von ihnen exklusiv genutzt werden wird. Im Gegenteil wünsche man sich, dass noch weitere Hersteller mitmachen. Here wird bereits von Marken wie Toyota, General Motors und Fiat Chrysler genutzt.
Dahinter steht eine technische Notwendigkeit: Here soll Fahrzeugdaten der Nutzer sammeln und in Echtzeit an die anderen Fahrer weitergeben. Daten über Staus und Ähnliches sollen dadurch möglichst präzise in die Navigation fließen. Das heißt auch: Je mehr Fahrzeuge den Dienst nutzen, umso besser funktioniert er. Und genau das braucht es für das derzeit größte Zukunftsthema der gesamten Industrie: selbstfahrende Autos.
Bei deren Entwicklung sind die deutschen Autobauer gut im Rennen. 2015 waren zum Beispiel in Nevada zwei selbstfahrende Lkw der Marke Daimler unterwegs. Audi wird schon 2017 ein Fahrzeug mit eingeschränktem Autopiloten auf den Markt brin- gen. BMW absolviert laufend erfolgreiche Testfahrten. Sicher, bei Konkurrent Google läuft schon ein deutlich größeres Programm: 2014 baute der Internetkonzern eine Flotte von 100 eigenen Fahrzeugen. Diese wurden inzwischen auch ziemlich erfolgreich getestet. Aber sie waren auf eine Höchstgeschwindigkeit von 40 Kilometern pro Stunde beschränkt. Abgeschlossen ist die Entwicklung auch dort noch lang nicht. Die Deutschen können sich in der internationalen Konkurrenz also durchaus behaupten – vor allem dann, wenn sie verstärkt kooperieren.
Wenn der nationale Kartellamtschef nun quasi zu einem nationalen Kartell rät, ist das wohl nicht ganz im Sinn des freien Markts. Aber was kümmert eine Wettbewerbsbehörde schon der freie Wettbewerb, wenn es um die internationale Stellung einer wichtigen Industrie geht?
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