Britische Bankenaufsicht gibt sich ganz zahm
Börse. Die britische Bankenaufsicht FCA stellt ihre Untersuchungen über Missstände im Finanzsektor ein. Der Hintergrund? London fürchtet die Abwanderung von Großbanken und tut alles, um diese in Englands Hauptstadt zu halten.
London. Für die britischen Banken hat das neue Jahr gut begonnen: Versteckt in der toten Nachrichtenzeit verkündete die britische Bankenaufsicht, FCA, zum Jahreswechsel die Einstellung ihrer Untersuchungen von Missständen im Finanzsektor. „Wir sind zu der Ansicht gelangt, dass es zielführender ist, mit einzelnen Instituten auf individueller Basis zusammenzuarbeiten“, erklärte die Behörde. Dies stellt einen völligen Meinungswandel dar, den Kritiker auf Einflussnahme der Regierung auf die Aufsicht zurückführten, was umgehend bestritten wurde.
Tatsächlich hat Schatzkanzler George Osborne seit dem Sieg der Konservativen bei der Parlamentswahl im Mai keine Zeit verstreichen lassen, dem Finanzsektor ein Zugeständnis nach dem anderen zu machen. In der Mansion House Speech, der wichtigsten jährlichen Grundsatzrede des britischen Finanzministers, warb Osborne schon im Juni für eine „Neuregelung“des Verhältnisses zum Finanzsektor. Zum Wohlgefallen der Banker fügte er hinzu: „Immer nur weitere Strafen zu verhängen ist keine langfristige Lösung.“
Osbornes Druck zeigt Wirkung
Ohne den Zwang, auf einen Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen, und ungehindert durch eine bisher nicht ernst zu nehmende Opposition, ließ die konservative Alleinregierung den Ankündigungen alsbald Taten folgen: Zuerst verweigerte Osborne dem von der Finanzwirtschaft heftig bekämpften FCA-Chef Martin Wheatley die Vertragsverlängerung. Danach novellierte er die Bankensteuer genau im Sinne der weltweit agierenden Institute HSBC und Standard Chartered, nachdem beide öffentlich angekündigt hatten, den Verbleib ihrer Hauptquartiere in London zu prüfen. Wenig später wurden Regelungen über die Verantwortung und Haftbarkeit von Spitzenmanagern zu deren Gunsten geändert.
Obwohl die Aufsicht theoretisch unabhängig ist, fand die Veränderung des Klimas gegenüber dem Finanzsektor auch hier spürbaren Niederschlag: Wurden im Jahr 2014 noch Strafen in der Höhe von 1,47 Milliarden Pfund (zwei Milliarden Euro) verhängt, waren es in den ersten drei Quartalen 2015 nur mehr 827 Millionen Pfund. „Wir sehen eindeutig eine Abschwächung“, sagt Mary Stevens vom Finanzberater Walters Kluwer. Statt den Sektor systematisch zu reformieren und damit eine neue Krise zu verhindern, setzt man auf die Verfolgung individueller Fehler oder Vergehen.
Tatsächlich kann sich keine britische Regierung leisten, dauerhaft in Konflikt mit der Finanzbranche zu stehen. Die mehr als 70.000 Unternehmen der Branche beschäfti- gen über zwei Millionen Menschen in Großbritannien, acht Prozent weniger als vor der Krise. Bei den Exporten stehen Finanzdienstleistungen an erster Stelle. Die City of London hat sich soeben von New York den Titel als größter Finanzplatz der Welt zurückgeholt.
Dabei spielen zunehmend internationale Großbanken eine Führungsrolle, insbesondere US-Institute, die nach der Finanzkrise 2007/08 schneller als die Konkurrenz umfassende Reformen durchgeführt haben. Die britischen Großbanken RBS und Lloyds hingegen, die um 100 Milliarden Pfund vom Steuerzahler gerettet werden mussten, kommen erst langsam wieder auf die Beine. Experten sprechen von einer „Wimbledonisation“: Wie beim berühmtesten Tennisturnier der Welt bietet London nur mehr die Bühne, während die wichtigsten Akteure aus dem Ausland kommen.
Vor diesem Hintergrund ist auch der Kampf von Schatzkanzler Osborne zu sehen, in den Neuverhandlungen Großbritanniens mit der EU die Position des Finanzplatzes London zu sichern. So verlangt die Regierung von den EU-Partnern eine Garantie, dass Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien in wirtschafts- und finanzpolitischen Beschlüssen nicht von den Eurostaaten überstimmt werden dürfen. Indem sich London nicht gemeinsamen Vorhaben und Verpflichtungen unterwirft, will man die Attraktivität des Standorts erhöhen. In London glaubt man wieder, dass weniger Regulierung bessere Märkte hervorbringt.
Zeiten fetter Boni sind vorbei
Zur Attraktivität gehörte für Spitzenbanker in den vergangenen 20 Jahren auch ein fetter Bonus zum Jahresabschluss. Diese Zeiten sind aber auch in London mittlerweile vorbei. Neue Regelungen, die mit Jahresbeginn in Kraft getreten sind, sehen eine wesentliche Verringerung des Cash-Anteils, spätere Auszahlung von Aktienoptionen und eine Ausdehnung der Rückzahlungsfrist auf zehn Jahre vor. Während Finanzunternehmen vor der Krise mit der Höhe ihrer Bonuszahlungen prahlten, schweigt man sich darüber heute so weit wie möglich aus. Die offizielle Einkommensstatistik zeigt für 2014 für die City of London ein Minus von mehr als sechs Prozent. Mit 73.811 Pfund lag das durchschnittliche Jahreseinkommen aber immer noch fast dreimal so hoch wie der britische Gesamtdurchschnitt. „Die Kosten sind zu hoch“, sagt John McFarlane, Chef von Barclays. „Weitere Jobverluste sind daher unvermeidlich.“