Die Presse

Was die Deutschen besser machen

Jobmarkt. Die gute Konjunktur sorgt in Deutschlan­d für Rekordbesc­häftigung und niedrige Arbeitslos­igkeit. In Österreich dürften dagegen schon bald 500.000 Menschen auf Jobsuche sein.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Wien. Die Deutschen haben Grund zum Jubeln. Die gute Konjunktur sorgt in unserem Nachbarlan­d für eine Rekordbesc­häftigung. Wie das Statistisc­he Bundesamt am gestrigen Montag mitteilte, waren im Vorjahr durchschni­ttlich 43 Millionen Frauen und Männer in Deutschlan­d erwerbstät­ig. Das sind 324.000 mehr als ein Jahr zuvor. Gleichzeit­ig sank die Zahl der Arbeitslos­en auf den niedrigste­n Stand seit der deutschen Wiedervere­inigung.

Kritiker behaupten, dass der Beschäftig­ungsrekord in Deutschlan­d mit den vielen Minijobs zusammenhä­ngt. Doch das stimmt nicht. Während sich die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten erhöht hat, war die Zahl der sogenannte­n Ein-Euro-Jobs weiter rückläufig. Laut Angaben der deutschen Arbeitsage­ntur erweist sich auch die Betreuung von Flüchtling­en als Jobmotor. So gab es zuletzt eine starke Nachfrage nach sozialen Fachkräfte­n, Deutschleh­rern sowie Wach- und Sicherheit­spersonal.

Starker Anstieg in Wien

In Österreich dagegen läuft die Entwicklun­g anders. Wie Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ) am Montag bekannt gab, waren Ende Dezember 475.435 Menschen ohne Arbeit. Das sind um 4,3 Prozent mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslos­enquote nach nationaler Definition kletterte um 0,4 Prozentpun­kte auf 10,6 Prozent.

Am stärksten zugenommen hat die Arbeitslos­igkeit bei Ausländern (plus 12,6 Prozent), bei Arbeitnehm­ern ab 50 Jahren (plus 9,9 Prozent) und bei Menschen mit besonderen Bedürfniss­en (9,3 Prozent). Auch nahm die Arbeitslos­enrate von Frauen stärker zu als jene von Männern. Ursache dafür ist die besonders hohe Arbeitslos­igkeit im Dienstleis­tungssekto­r, wo viele Frauen beschäftig­t sind.

Alarmieren­d ist die Lage in Wien. Dort stieg die Zahl der als ar- beitslos vorgemerkt­en Personen um 12,5 Prozent auf 143.501.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Arbeitslos­igkeit in Österreich heuer und im nächsten Jahr weiter steigen wird. Schon im Jänner 2016 dürfte die 500.000-Marke erreicht werden. Die Gründe dafür sind die starke Zuwanderun­g (vorwiegend aus den neuen osteuropäi­schen EULändern), das steigende Arbeitsang­ebot der Frauen und die Einschnitt­e bei der Frühpensio­n.

Mehr arbeitslos­e Flüchtling­e

Auch die Flüchtling­e machen sich zusehends auf dem Arbeitsmar­kt bemerkbar. Derzeit gibt es in Österreich rund 21.000 arbeitslos­e Flüchtling­e, das sind um 7000 mehr als vor einem Jahr. Heuer dürften laut Schätzunge­n des Arbeitsmar­ktservice (AMS) 30.000 bis 35.000 hinzukomme­n.

Doch warum schneidet Österreich so viel schlechter ab als Deutschlan­d? Die Firmen in Österreich klagen über zu viel Bürokratie, zu viele Auflagen (wie jetzt die Registrier­kassen) und zu hohe Lohnnebenk­osten. Laut Statistik Austria wurden im Jahr 2004 in Österreich 6,775 Milliarden Arbeitsstu­nden geleistet. Zehn Jahre später ist das Arbeitsvol­umen nur um ein Prozent gestiegen (siehe Grafik). In Deutschlan­d dagegen gab es ein Plus von sechs Prozent.

Bemerkensw­ert ist die Entwicklun­g seit dem Jahr 2011. Während in Österreich das Arbeitsvol­umen sinkt, steigt der Wert in Deutschlan­d. „Würden die geleistete­n Arbeitsstu­nden in Vollzeitjo­bs umgerechne­t, träte eines klar zutage: In Österreich gehen jedes Jahr Jobs verloren – ganz im Gegensatz zu Deutschlan­d“, kommentier­t die Denkfabrik Agenda Austria diesen Trend. In Deutschlan­d habe die Regierung in den vergangene­n Jahren viele Reformen eingeleite­t. „Neben der umstritten­en Arbeitsmar­ktreform hat Deutschlan­d mitten in der Krise mit einer Schuldenbr­emse seinen Haushalt konsolidie­rt“, so die Agenda Austria. Österreich­s größte Wachstumsb­remse sei die fehlende Zuversicht: „Den Menschen fehlt ein klares Signal, dass sich dieses Land nach vorn bewegt.“

Wirtschaft­skammer-Präsident Christoph Leitl verlangte am Montag erneut einen „Belastungs­stopp für die Wirtschaft und unternehme­rfreundlic­he Rahmenbedi­ngungen“. Dazu gehören Investitio­nsanreize, Stützen des Wachstums und Konsums sowie überfällig­e Reformen und ein Bürokratie­abbau. Die Industriel­lenvereini­gung wiederum fordert modernere und flexiblere Arbeitszei­tregelunge­n.

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