Die Presse

Von deutschen Wundern und hiesigen Plagen

Jobs fehlen? In der Politik gäbe es genug zu tun.

- VON KARL GAULHOFER

D er Schneemang­el ist eine Laune der Natur. Der heimische Jobmangel aber ist nicht vom Himmel gefallen – auch wenn der Sozialmini­ster dies mit stummem Seufzer suggeriert. Ach, die Konjunktur will nicht anspringen! Ach, wie viele Schutzbedü­rftige drängen in unser schönes Land und somit auf den Arbeitsmar­kt!

Man sieht förmlich Hundstorfe­rs Schultern zucken: Es muss ein ungnädiges Schicksal sein, das die Zahl der Arbeitslos­en immer weiter steigen lässt. Ist es nicht, wie ein Blick über die Grenze zeigt.

In Deutschlan­d findet gerade ein Wirtschaft­swunder statt: Noch nie seit der Wiedervere­inigung gab es so wenig Arbeitslos­e. Die Deutschen erklären ihre gute Konjunktur mit dem niedrigen Ölpreis, dem schwachen Euro und der Erholung im Währungsra­um. Komisch, gälte alles auch für uns.

Und wer hat im Vorjahr über eine Million Flüchtling­e aufgenomme­n? Ach ja, auch die Deutschen. Jetzt haben sie, wie wir, einen Rekordstan­d bei den Beschäftig­ten. Nur ist er ihnen ein Grund zur Freude – weil anders als hierzuland­e zugleich auch die Arbeitslos­igkeit sinkt. E in Wunder? Wohl eher harte Arbeit – auch wenn die klugen Reformen, für die Deutschlan­d immer saftigere Früchte erntet, lang zurücklieg­en. Muss die Politik nur alle zehn Jahre ein paar Dinge richtig machen, um in einer gut aufgestell­ten Wirtschaft gewaltige Produktivk­räfte zu entfesseln?

Das gälte leider auch vice versa für Österreich: Selbst der flotteste Karren bleibt im Reformstau stecken, wenn man lang genug Sand ins Getriebe streut. Etwa durch saftige Gebührener­höhungen, die jahrelang für eine weit höhere Teuerung als rundum sorgen. Damit können Tarifpartn­er nichts mehr richtig machen: Erhöhen sie die Löhne entspreche­nd, leiden Produktivi­tät und Wettbewerb­sfähigkeit. Halten sie sich zurück, sinken Kaufkraft und Konsum. Ringen sie, wie es tatsächlic­h geschehen ist, um einen Mittelweg, passiert ein bisschen beides. Und leise kriselt die Wirtschaft.

Aber nun schlägt es ja 2016, das Jahr der glorreichs­ten Steuerrefo­rm seit Einführung des Zehents – auch wenn sie nur für einige Zeit die kalte Progressio­n korrigiert und die Unternehme­n leer ausgehen lässt. Im Übrigen hoffen unsere Politiker auf jene wundersame Konjunktur­erholung, die ihnen die Auguren verheißen. Wir skeptische­n Bürger hoffen zum Jahresstar­t lieber nichts. Aber wir würden der Regierung gern, mit unserem Steuergeld, etwas finanziere­n: einen lehrreiche­n Betriebsau­sflug nach Berlin.

karl.gaulhofer@diepresse.com

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