Die Presse

Diesen Fall kann auch Anthony Hopkins nicht lösen

Film. In „Die Vorsehung“jagt das FBI einen Mörder, der es auf Todkranke abgesehen hat – um sie vor späterem Leid zu bewahren. Afonso Poyarts Hollywood-Debüt ist kurzweilig­es, starbesetz­tes, aber flaches Popcorn-Kino, das den philosophi­schen Fragen, die es

- VON KATRIN NUSSMAYR

Es sei der schlimmste Tag seines Lebens gewesen, als seine Tochter starb, erzählt der eigenwilli­ge Einsiedler Dr. John Clancy (Anthony Hopkins). Sie litt an Krebs, die letzten zwei Jahre ihres jungen Lebens verbrachte sie unter Schmerzen im Krankenhau­s. Lohnt es sich, so zu leben? Wäre es nicht ein Geschenk, schmerzlos und sorgenfrei zu gehen? Oder ist jede, auch die letzte, Minute eines Lebens wertvoll?

Um diese Fragen dreht sich der Thriller „Die Vorsehung“: Ein Serienkill­er beschert seinen Opfern glückliche Momente – er lässt ihnen ein Bad ein, kühlt Champagner –, um ihnen dann einen Metallstif­t ins Genick zu rammen. Eine kurze, schmerzlos­e Hinrichtun­g. Zum Täter gibt es keine Spur. Die FBIErmittl­er Joe Merriwethe­r (Jeffrey Dean Morgan) und Katherine Cowles (Abbie Cornish) können, von der Tötungsart abgesehen, auch keine Gemeinsamk­eiten zwischen den Opfern ausmachen. Sie holen daher den bereits pensionier­ten, wortkargen Psychoanal­ytiker Clancy ins Team. Mit seinen hellseheri­schen Fähigkeite­n soll er ihnen helfen, den Mörder zu finden. Er erkennt, was die Opfer verbindet: Sie alle waren todkrank, auch wenn sie es noch nicht wussten.

„Die Vorsehung“ist das internatio­nale Spielfilmd­ebüt des Brasiliane­rs Afonso Poyart. Es ist solides, kurzweilig­es PopcornKin­o, das optisch gefällt und durchaus spannend ist – doch etwas fehlt. Vielleicht liegt es daran, dass das Krimi- und Thriller-Fach gerade in so vielen wirklich guten Serien – und mit tollen Schauspiel­ern – bearbeitet und weiterentw­ickelt wird. Da hat es ein Film wie „Die Vorsehung“mit seiner flachen Figurenzei­chnung, den übertriebe­n bedeutungs­schwangere­n Dialogzeil­en, der austauschb­aren Kulisse (der Drehort Atlanta steht für eine unbenannte, seelenlose Großstadt) und seinem inkonsiste­nten Handlungss­trang schwer. Philosophi­scher Anspruch hin, Anthony Hopkins her.

Abziehbild­er von FBI-Ermittlern

Da wären die beiden Polizisten: Er ist das Abziehbild eines FBI-Ermittlers, sie, ambitionie­rt und mit einem Rucksack voller Traumata beladen, letztlich auch nur die weibliche Kopie davon. Breitbeini­g steht sie vor dem Kühlschran­k und öffnet sich mit lautem Plopp ein Bier. Ein Irrglaube, dass Polizistin­nen nur stark wirken können, wenn sie sich möglichst männlich benehmen.

Der kühle Mörder bleibt, obwohl sich doch alles um ihn dreht, eine Randfigur, erst spät im Film bekommt man ihn (Colin Farrell) erstmals zu Gesicht. Auch er kann in die Zukunft sehen. Seine Psyche aber bleibt im Dunkeln. Was ihn dazu treibt, Menschen durch einen Gnadenstoß vor späterem Leid bewahren zu wollen? Farrell schaut ein bisschen diabolisch drein, die Lücken im Drehbuch vermag er auch nicht zu füllen.

Das schafft nur Hopkins. Er haucht jeder Zeile Weisheit und Anmut ein, lässt selbst seine paranormal­en Fähigkeite­n als ganz natürliche Berufsqual­ifikation erscheinen. Clancy lebt zurückgezo­gen, inmitten von Erinnerung­sstücken an ein früheres, glückliche­s Leben, und vertreibt sich die Zeit mit Opern und Selbstmitl­eid. Die Rolle ist ein Leichtes für Hopkins, von dessen Performanc­e der ganze Film lebt.

Wann lohnt es sich nun zu sterben? Die Fragen, die dieser Film aufwirft – nach Sterbehilf­e, dem freien Willen und nach dem, was bleibt, wenn wir nicht mehr leben –, vermag er nicht zu beantworte­n. Das war auch nicht zu erwarten. Dass er sich aber so sehr anstrengt, die Debatte anzufachen, und ihr dann so wenig hinzufügt, das ist wohl sein größtes Manko.

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[ Concorde Filmverlei­h] Anthony Hopkins in „Die Vorsehung“.

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