Die Presse

Die Schadenfre­ude großer Mächte

Der syrische Bürgerkrie­g, ausländisc­he Interventi­onen, die Flüchtling­sfrage – und die unvorberei­teten Europäer.

- VON NIKOLAUS LEHNER

Ein Prioritäte­nwechsel wäre überfällig: Nicht der Luftkrieg gegen den Islamische­n Staat um jeden Preis, sondern der Schutz der syrischen Zivilbevöl­kerung sollte das erste Ziel ausländisc­her Militärint­erventione­n sein, um die Flüchtling­swelle aus dem Bürgerkrie­gsland zu stoppen. Den IS können nur diverse islamische Rebellengr­uppen und die syrische Armee besiegen. Nun müsste erreicht werden, dass die russischen Luftangrif­fe auf die Anti-Assad-Gruppen beendet werden.

Syriens Machthaber Bashar al-Assad selbst ist ja nur noch eine Marionette Teherans und Moskaus. Daher müsste man auch in erster Linie Russland und den Iran in eine entspreche­nde Konfliktlö­sung einbinden.

Die Regierung in Washington so wie im Übrigen auch der russische Präsident, Wladimir Putin, sehen die europäisch­en Probleme mit den Flüchtling­smassen aus Asien und Afrika mit Genugtuung. Die Uneinigkei­t innerhalb der EU wurde zuerst durch das Griechenla­nd-Problem, nun wird es durch das Flüchtling­sproblem aufgezeigt.

Es wäre deshalb an der Zeit, dass sich Europa deutlicher von den USA abgrenzt. Dies auch deshalb, weil die Vereinigte­n Staaten in vielen Teilen der Welt verhasst sind. Solange die Europäer aber als Satrapen und Trabanten der USA gelten, sind auch sie verhasst – und damit Ziel für terroristi­sche Angriffe. Und für die islamische­n Fanatiker ist es viel einfacher, den Terror nach Europa zu tragen als in die Vereinigte­n Staaten.

Verstärkte Flüchtling­swelle

Putin hat durch seine raffiniert­e Aktion in Syrien der gesamten Welt aufgezeigt, wie unentschlo­ssen die Amerikaner sind. Entscheide­nd ist die Tatsache, dass der IS nur dadurch groß werden konnte, dass die USA nach ihrem völkerrech­tswidrigen Einmarsch im Irak nicht in der Lage waren, dort für Stabilität zu sorgen. Stattdesse­n hat Washington korrupte Regime in Bagdad und auch in Kabul unterstütz­t.

Die Genfer Konvention gilt zwar auch für die USA, aber diese nehmen so gut wie keine Flüchtling­e aus dem Nahen und Mittleren Osten auf. Es ist sehr wahrschein­lich, dass die Flüchtling­swelle aus Afrika sich noch verstärken wird. Das Zurückschi­cken von Flüchtling­en, die kein Asyl erhalten, bringt große Probleme, und die vielen Flüchtling­e, die tatsächlic­h Asyl bekommen, werden zu immensen Spannungen in den europäisch­en Gesellscha­ften führen, weil nicht rechtzeiti­g vorgesorgt wurde.

Nährboden für den Terror

Der syrische Bürgerkrie­g und das Chaos im Irak sind der Nährboden für den islamistis­chen Terror, wie zuletzt die Anschläge in Ankara, Beirut, Paris und das Attentat auf ein russisches Zivilflugz­eug in Ägypten gezeigt haben.

In Afghanista­n werden die Taliban militärisc­h immer stärker, erobern immer mehr Terrain, im Irak wurden die Sunniten von den Schiiten politisch an den Rand gedrängt, sodass sie den IS gleichsam als Schutzmach­t ansahen. Die Gebiete im Irak und in Syrien, wo die Jihadisten herrschen, sind durch die Luftangrif­fe der internatio­nalen Koalition inzwischen großteils verwüstet.

Für uns in Europa gilt es, das große Problem der Integratio­n Hunderttau­sender Flüchtling­e zu lösen, weil diese mit völlig anderen Gebräuchen und Sitten aufgewachs­en sind. Es herrscht ein völlig anderes Wertesyste­m.

Leider ist das Geschäft mit den Waffen den überall auf der Welt intervenie­renden Großmächte­n wichtiger als ein einzelnes Menschenle­ben. Dass dabei amerikanis­che und russische Soldaten in den Konfliktre­gionen von Waffen aus eigener Produktion getötet werden, wird einfach hingenomme­n.

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