Neujahrswende 1944/45: Träumen von Österreich
Zur Diskussion über das Neujahrskonzert Als junger Mensch war ich an der Jahreswende 1944/1945 beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter Clemens Krauss auf Stehplatz anwesend. Eine eigene Atmosphäre herrschte: Tod, Krieg, Bombardierungen, Nazi-Diktatur beherrschten Wien. Wir wiegten uns selig im Walzertakt. Für uns war es, ich kann mich gut erinnern, eine Anti-Nazi-, Antikriegs-, ja sogar antideutsche Demonstration – ein Träumen von Österreich, dessen Befreiung bald bevorstand. Das Konzert war also für viele sehr wohl politisch, ob nun Darbietende Nazis waren oder nicht.
Noch eine Episode. Während eines Fliegeralarms, der ein Konzert unterbrach, befanden wir uns im Luftschutzkeller des Musikvereins. Ein vorbeigehender, damals prominenter Philharmoniker wurde gefragt, was noch gespielt werden würde. Er sagte: „Wohl nur noch die ,Götterdämmerung‘“. Eine unter dem damaligen politischen Druck sehr mutige Bemerkung. Dr. Wolfgang Schallenberg, Essen in einer Tonne gesammelt und an Schweine verfüttert wurde. Heute verboten!
Einige Lokale gaben auch Speisen, die unberührt zurückkamen, an Bedürftige ab. Heute verboten!
Heute wird auf allen Lebensmitteln ein Ablaufdatum aufgedruckt. Ab dann sind sie praktisch unverkäuflich – auch wenn sie völlig in Ordnung sind. Warum soll z. B. Knäckebrot nach sechs Monaten nicht mehr essbar sein? Käse wird oft erst nach dem Ablaufdatum wirklich gut! Und natürlich wurde auch allen Hausfrauen und -männern eingeredet, dass nach dem Ablaufdatum das Essen zu entsorgen ist. Schuld ist die Bevormundung der Bevölkerung in jeder Lebenslage. Dem eigenen Urteil traut niemand mehr.
Mit Gesetzen wird sich das Problem nicht lösen lassen. Besser wäre, schon Kindern beizubringen, dass man nicht sparen kann, indem man mehr einkauft als notwendig – so wie es uns von der Werbung eingeredet wird. Mag. Reinhard Fischill,