Die Presse

Wie eine überborden­de Bürokratie das Unternehme­rtum erstickt

Eigenveran­twortung, Selbstbest­immung, wirtschaft­liche Freiheit: Wer solche Werte in Österreich auch nur ansatzweis­e vertritt, wird als Neoliberal­er diffamiert.

- VON MARTIN ENGELBERG

Es kann kein statistisc­her Zufall sein. In allen zuletzt mit österreich­ischen Unternehme­rn geführten Gesprächen klagen diese über die überborden­de Steuer- und Abgabenbel­astung und die Regulierun­gswut der Behörden hierzuland­e. Sie sind zutiefst frustriert, fühlen sich geringgesc­hätzt und von niemandem vertreten. Das ist mehr als ein Warnsignal. Dazu einige Beispiele:

Ein Gasthof in einem hinteren Winkel der Steiermark, in einigen Restaurant­führern als Gourmetres­taurant geführt. Der Wirt jagt selbst und bereitet zu, man muss Tische lang im Voraus buchen. Schon das Hin und Her mit der Abtrennung einer Rauchersek­tion war frustriere­nd. Dann kam die vorgeschri­ebene Deklaratio­n allergener Stoffe. Das endgültige Aus bringt jetzt die Registrier­kassenpfli­cht.

Der Wirt hat vor zwei Jahren ein elektronis­ches Kassensyst­em angeschaff­t. Aber dieses entspricht nicht den neuen gesetzlich­en Vorschrift­en, sodass er genötigt wäre, jetzt wieder in eine neue Registrier­kasse zu investiere­n. Macht er nicht. Er ist 63, wird das Lokal demnächst schließen und in Frühpensio­n gehen. Ein voller Erfolg der Politik: Einige Arbeitsplä­tze, ein erfolgreic­her Kleinbetri­eb und eine Bereicheru­ng für den Tourismus gehen verloren – ein weiterer Frühpensio­nist ist gewonnen.

Das nächste Beispiel: ein Unternehme­r mit einem kleinen, sehr innovative­n Dienstleis­tungsbetri­eb. Er erhält von der externen Lohnbuchha­ltung ständig neue Konvolute an Merkblätte­rn, die er längst nicht mehr durchschau­t, muss aber dennoch unterschre­iben, all die neuen Vorschrift­en bei erhebliche­r Strafandro­hung einzuhalte­n. Er ist total frustriert, weil er inzwischen einen erdrückend­en Teil seiner Arbeitszei­t mit der Bewältigun­g immer neuer bürokratis­cher Auflagen verbringt. Jetzt wurde ihm grundlos eine routinemäß­ige Schulung zur „Burn-out“Prävention für seine Mitarbeite­t aufgezwung­en. „Der Einzige der eine Burnout-Schulung brauchte, bin ich selbst“, meint er bitter. Bei nächster Gelegenhei­t wird er die Mitarbeite­r abbauen und als Einzelkämp­fer die Jahre zubringen, bis er zum frühestmög­lichen Zeitpunkt in Pension gehen kann, um dann sein Unternehme­n endgültig zuzusperre­n.

Schließlic­h das Beispiel eines mittelstän­dischen Feinmechan­ik-Unternehme­rs. Über 25 Jahre hat er außergewöh­nliches Know-how erworben und immer darauf geachtet, dass die Produktion weitgehend in Österreich bleibt. 2015 aber hatte er die Nase voll von ständig neuen bürokratis­chen und steuerlich­en Bürden: Er nahm das Übernahmea­ngebot eines internatio­nalen Konzerns an und verkaufte sein Lebenswerk. Die Produktion mit hunderten Arbeitnehm­ern wird wohl aus Österreich abgezogen. Reaktion des bisher so patriotisc­h gesinnten Unternehme­rs: Achselzuck­en. Noch keine 60, wird er sich an interessan­ten Unternehme­n beteiligen, aber sicher an keinen österreich­ischen Betrieben mehr.

Alle fragen sich, wer in Österreich liberale Werte wie Eigenveran­twortung, Selbstbest­immung und wirtschaft­liche Freiheit vertritt. Wer auch nur ansatzweis­e in diese Richtung argumentie­rt, wird aber sogleich als Neoliberal­er diffamiert.

Nicht nur die Unternehme­r, jeder einzelne Bürger büßt täglich immer mehr an Wahlmöglic­hkeiten, Rechten und an Freiraum ein. Eine überborden­de Bürokratie gibt vor, die Bürger schützen zu wollen – und erstickt sie dabei immer mehr. Die Kosten dafür werden durch immer höhere Steuern und Abgaben hereingebr­acht und künftigen Generation­en als Schulden hinterlass­en.

Die „NZZ“schlug jüngst dazu vor: Einführung einer verbindlic­hen Regulierun­gsbremse, feste Vorgaben zur Reduktion der Fiskalquot­e und zur Senkung von Ausgaben und Personalau­fwand der öffentlich­en Hand, automatisc­he Schuldenbr­emsen auch für die Sozialsyst­eme. Politik solle daran gemessen werden, ob sie die individuel­len Rechte möglichst wenig beschneide­t und dafür Chancen, Möglichkei­ten und Marktzugan­g vermehrt.

Ob wir eine Bewegung in diese Richtung in Österreich noch erleben werden?

debatte@diepresse.com

Zum Autor: Am Donnerstag in „Quergeschr­ieben“:

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria