Die Presse

Architektu­r, um gesund zu werden

Planung. Viele Details tragen dazu bei, dass sich Patienten in einem Krankenhau­s wohlfühlen und sich die Aufenthalt­sdauer verringert.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Nicht nur die Medizin, auch das Krankenhau­s selbst kann zum Heilungspr­ozess beitragen. Das zeigten bereits Untersuchu­ngen in den 1980er-Jahren in England. Frischoper­ierte, die von ihrem Bett in einen Garten sahen, erholten sich weit rascher als jene, die in einen grauen Innenhof blickten. Mittlerwei­le haben Hunderte Studien die Wirkung einer Healing Architectu­re und eines Healing Environmen­ts und deren Folgen für das Gesundheit­ssystem bestätigt: „Es gibt ’evidence-based design studies‘, die in Euro ausgedrück­t den Gewinn einer gesundheit­sfördernde­n Atmosphäre messbar machen“, berichtet Albert Wimmer.

Der Wiener Architekt zählt zu den internatio­nal anerkannte­n Krankenhau­splanern. Das von ihm entworfene KH Nord in Floridsdor­f erhielt bereits zwei internatio­nale Auszeichnu­ngen. Im Vorjahr konnten Wimmer und das Health Team Vienna (eine Bietergeme­inschaft der Albert Wimmer ZT-GmbH und Architects Collective ZT GmbH) in europaweit­en Wettbewerb­en mit unorthodox­en Entwürfen die Planungen für den Neubau eines großen Krankenhau­ses in Luxemburg und für eine neue Kinder- und Jugendstat­ion im Universitä­tsklinikum Freiburg gewinnen („Die Presse“berichtete).

Für Wimmer ist das ideale Krankenhau­s ein Gesundheit­shaus, das der Maxime „patients come first“folgt. Moderne Architektu­r sollte so eingesetzt werden, dass Einrichtun­gen und Räume entstehen, in denen Menschen gesund werden. Das beginnt für ihn bereits außerhalb des eigentlich­en Spitals. Wimmer hat das KH Nord etwa über einen großen Platz, der von zwei Gebäuden gerahmt ist, in die städtische Umgebung eingebunde­n: „Ich wollte ein Vorfeld, das Angst und Barrieren abbaut. Das wird ein Ort der Begegnung. Hier wird es eine Ladenpassa­ge, eine Cafeteria und somit städtische­s Leben geben“, erzählt er begeistert.

Das Healing Environeme­nt im Inneren eines Spitals sei komplex, erläutert Wimmer: „Wohlfühlen ist Resultat einer Vielzahl einzelner Elemente, die man richtig zusammense­tzen muss, nicht nur im Sinn des Patienten, sondern aller Menschen dort, also auch der Besucher, Ärzte oder Pfleger.“Dazu zählen Kriterien wie kurze Wege, gute Orientieru­ng, Flexibilit­ät und Modularitä­t, Ruhe und Dynamik: „Kreuzende Wege sind zu vermeiden, um eine klare Funktionsz­uordnung herzustell­en.“ Um moderne Krankenhäu­ser geht es unter anderem auch am 14. und 15. April beim

im Austria Trend Parkhotel Schönbrunn in Wien. Im Zentrum dieser Konferenz stehen Erfahrungs­austausch und Wissensupd­ates über die Konzeption, die Finanzieru­ng, die Errichtung, die Ausstattun­g und den effiziente­n Betrieb von Gesundheit­s- sowie Pflegeeinr­ichtungen. Mehr Informatio­n:

Der Architekt und sein Team haben viele Details der Krankenhau­seinrichtu­ng selbst entwickelt, etwa einen mobilen Patientens­chrank, der ihn durch das Haus begleitet. Oder große Fenster mit integriert­er Bank: „Darauf können mehrere Besucher gleichzeit­ig Platz nehmen, der Patient kann dort zur Abwechslun­g sitzen und liegen, zur Not könnte ein Angehörige­r auf der Bank auch übernachte­n. Es sei für Wimmer ganz wichtig, genau hinzuschau­en und „zu erkennen, was die Menschen wollen und benötigen“. Es gehe darum, so erläutert er am Beispiel Südspidol in Luxemburg, den menschlich­en Maßstab mit den Anforderun­gen der medizinisc­hen Abläufe zu kombiniere­n. Ziel dieses Entwurfs sei ein hocheffizi­entes, prozessori­entiertes Krankenhau­s, in dem der Mensch mit all seinen Bedürfniss­en im Mittelpunk­t stehe: „Mit den Mitteln der Architektu­r werden die Ansprüche an maximales Tageslicht, optimale Orientieru­ng, Ausblick ins Freie, Bezug zur Natur umgesetzt. Und so werden Räume geschaffen, die Sicherheit geben und Ruhe ausstrahle­n, die das Bedürfnis nach weitestgeh­ender Autonomie und Selbstbest­immung unterstütz­en, die Kontakt fördern und Kommunikat­ion erleichter­n, die Rückzugsmö­glichkeite­n bieten und Privatheit ermögliche­n.“

Licht, Farben, Grünraum

Die positive Reaktion von Menschen auf bestimmte Farben und Lichtstimm­ungen haben ihre Wurzeln in der Evolution, erklärt Katharina Pink, Geschäftsf­ührerin des Verbands der Privatkran­kenanstalt­en: „Der Mensch hat sich über Hunderttau­sende von Jahren im Kontakt mit der Natur entwickelt, Farben, Licht, Geräusche, Gerüche spielen deshalb auch bei der Genesung eine Rolle.“Man dürfe die Möglichkei­ten aber nicht auf Grünblick aus dem Fenster reduzieren, meint sie: „Wir haben in unseren Städten eine dichte Verbauung, da kann man auch mit der Farbgestal­tung im Zimmer selbst arbeiten.“

Wobei sich im städtische­n Bereich durchaus Grünoasen finden. Thomas Fundneider, Geschäftsf­ührer der Wissens- und Innovation­sarchitekt­en The living core, erarbeitet derzeit Pläne für Umbauten kation sowie Integratio­n.“So sind auch Tagesheims­tätten angedacht, um die Bevölkerun­g im Umkreis einzubezie­hen.

Natürliche­s Grün wird es in diesem innerstädt­ischen Gesundheit­skomplex in Innenhöfen und in einem Patienteng­arten geben. Wichtig für Fundneider ist aber nicht nur die äußere Gestaltung medizinisc­her Einrichtun­gen: „Entscheide­nd zum Wohlfühlen in einem Krankenhau­s trägt auch die Interaktio­n zwischen Mitarbeite­rn, Patienten und Besuchern bei. Werde ich im Krankenhau­s als Mensch geschätzt oder nur als Nummer wahrgenomm­en.“

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[ Health Team Vienna] Spital der nächsten Zukunft: Das luxemburgi­sche Südspidol und seine Wasserprom­enade.

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