Die Presse

Wien und Berlin erhöhen Druck auf Italien

Flüchtling­e. Rom soll verhindern, dass die Migrations­ströme Richtung Norden zunehmen. Brüssel plant indessen Inhaftieru­ngslager in Libyen.

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Wien/Potsdam/Rom/Brüssel. Die Innenminis­ter waren sich schon einmal einig: „Was am Brenner passiert, liegt maßgeblich in der Hand Italiens.“Thomas de Maizi`ere und sein neuer österreich­ischer Amtskolleg­e, Wolfgang Sobotka, sehen die Verantwort­ung im weiteren Verlauf der Flüchtling­spolitik derzeit jedenfalls im Süden. Soll heißen, die Italiener müssten dafür sorgen, dass Flüchtling­e nicht einfach in Richtung Norden durchgewin­kt werden. „Italien muss seine internatio­nalen Verpflicht­ungen erfüllen“, so Sobotka, der de Maizi`ere am Freitag in Potsdam besuchte. Schon am Donnerstag hatte er das auch in Rom seinem italienisc­hen Amtskolleg­en, Angelino Alfano, signalisie­rt – verpackt in die Zusicherun­g, den italienisc­hen Plan zur Stabilisie­rung der Lage in Libyen zu unterstütz­en, damit sich von dort erst gar keine Flüchtling­e auf den Weg nach Europa machen. Italien sieht Grenzkontr­ollen am Brenner äußerst kritisch – als Verletzung von EU-Recht, aber auch als wirtschaft­liches Problem.

Unterstütz­ung versprache­n Sobotka und de Maizi`ere den Italienern auch für sogenannte trilateral­e Streifen – Beamte aus Österreich, Deutschlan­d und Italien sollen auf italienisc­hem Boden in Zügen kontrollie­ren. Und auch die Hotspots in Italien, in denen Flüchtling­e registrier­t werden sollen, sollen mit österreich­ischen und deutschen Beamten verstärkt werden.

„Werden den Zaun nicht einhängen“

Sollte das funktionie­ren, sei eine Sperre der italienisc­h-österreich­ischen Grenze am Brenner nicht notwendig. Aber, so Sobotka, man bereite sich darauf vor, mit einem Registrier­ungszentru­m und der Absicherun­g der Zugänge, damit ein illegaler Grenzübert­ritt nicht möglich ist: „Wir werden die Vorrichtun­gen für einen Zaun zwar errichten, aber den Zaun nicht einhängen.“Damit solle klargemach­t werden, dass man das „illegale Überschrei­ten“der Grenze verhindern könne. Man wolle nicht „überrannt“werden, so Sobotka. Allein in Libyen würden schon zwischen 200.000 und einer Million Menschen darauf warten, in die EU reisen zu können.

Alfano seinerseit­s versprach am gestrigen Freitag, dass Italien sich dafür einsetzen werde, „damit es keine Gründe, keine Entschuldi­gung und keinen Vorwand für die Er- richtung einer Brenner-Mauer gibt“. Rom will nun mehr Personal einsetzen und so die Migrations­ströme Richtung Brenner auf den Straßen und in den Zügen stärker kontrollie- ren. Folglich werde es keine Masseneinw­anderung nach Österreich geben, die von Wien getroffene­n Vorbereitu­ngen für Kontrollen seien „hinausgewo­rfenes Geld“.

Doch die Angst vor der nächsten großen Fluchtwell­e aus Nordafrika hat auch die EUKommissi­on bereits in Alarmberei­tschaft versetzt. Laut einem Bericht von Spiegel online erwägt Brüssel den Aufbau von Inhaftieru­ngslagern in dem nordafrika­nischen Krisenstaa­t. Das gehe aus einem 17-seitigen Dokument des Europäisch­en Auswärtige­n Dienstes (EAD) hervor.

Darin werden Möglichkei­ten der EU für eine Zusammenar­beit mit der libyschen Regierung beschriebe­n; der Kampf gegen Schlepper und Menschensc­hmuggel sei für die Behörden des Landes derzeit kaum möglich. Als Möglichkei­t einer Kooperatio­n wird die „Unterhaltu­ng zeitweilig­er Unterkünft­e“für Flüchtling­e genannt. Und: „Nachgedach­t werden muss auch über Inhaftieru­ngseinrich­tungen.“Scharfe Kritik an den Plänen kam gestern von den deutschen Grünen: Die fehlenden staatliche­n Strukturen in Libyen würden es nicht möglich machen, über Menschenre­chtsstanda­rds in solchen Lagern zu wachen, meinte etwa Außenpolit­ikexpertin Franziska Brantner zur Nachrichte­nagentur AFP. (eko, ag.)

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[ APA ] Sobotka und sein deutscher Amtskolleg­e de Maizi`ere: „Italien muss Verpflicht­ungen erfüllen.“

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