Die Presse

Warum die Investitio­nen ausbleiben

Standort. Jammern Österreich­s Manager, obwohl alles gut läuft? Eine Studie zeigt: Harte Fakten und miese Stimmung gehen Hand in Hand – und in der Folge wird tatsächlic­h weniger investiert.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Werner Muhm hält wenig von Standort-Rankings, die Österreich ein immer schlechter­es Zeugnis ausstellen. Vor einem Jahr machte der Direktor der Wiener Arbeiterka­mmer seinem Unmut besonders kräftig Luft: „Unwissensc­haftlich und wertlos“nannte er die Hiobsbotsc­haften aus einer Schweizer Elite-Uni, weil sie zum Teil auf den „Befindlich­keiten“heimischer Manager beruhten. „Mit dem dauernden Krankjamme­rn will die Wirtschaft nur ihre Nimmersatt-Forderunge­n durchsetze­n“– sprich: die armen Arbeitnehm­er ausbeuten.

Ein Vorwurf, den die Industriel­lenvereini­gung nicht auf sich sitzen lässt. Zumal sie ihre Umfragen unter Führungskr­äften für seriöse Prognosen hält. Ihr Chefökonom, Christian Helmenstei­n, wollte es nun genau wissen. Mit Kollegen vom Economica-Institut und Media Tenor hat er untersucht, wie es zu Entscheidu­ngen über Standort und Investitio­nen kommt – streng wissenscha­ftlich, versteht sich, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der „Presse“liegt die Studie exklusiv vorab vor.

Nun steht unter Ökonomen außer Streit, welche wichtige Rolle die Stimmung spielt: Die Erwartung, wie sich das Geschäft entwickelt, entscheide­t mit darüber, wie viel Unternehme­n investiere­n. Damit legen sie zugleich das künftige Wachstumsp­otenzial der Volkswirts­chaft fest. Klar ist auch: Wenn die Politik falsche Signale setzt und Br‘ttoanlagei­nvestition­en in Prozent des BIPs häufig die Richtung wechselt, sorgt sie für Unsicherhe­it – und das ist Gift für unternehme­rischen Wagemut. Führungskr­äfte sind es, die Investitio­nen freigeben oder stoppen. Ihre Warnungen sind also ernst zu nehmen. Aber zumindest theoretisc­h wäre es schon denkbar, dass hinter ihren bitteren Klagen über den „herunterge­sandelten“Standort Kalkül steckt, in Wirklichke­it alles bestens läuft und deshalb ohnehin genug investiert wird.

Medien spielen große Rolle

Nun zeigt die Auswertung: Heimische Führungskr­äfte klagen nicht nur, sie handeln auch danach. Wenn sich ihre Einschätzu­ng im vierteljäh­rlichen IV-Standortba­rometer verschlech­tert, gehen die Investitio­nen vier Quartale später zurück. Am stärksten reagiert die Investitio­nstätigkei­t auf die Verände- rung von Indikatore­n, die sich auf ganz harte Fakten beziehen: Produktivi­tät, Steuern, Staatsschu­lden.

Für Konzerne, die hier nur Töchter oder Regionalze­ntralen haben, könnte auch eine Rolle spielen, wie Österreich in Auslandsme­dien wegkommt. Media Tenor hat dazu Tausende Berichte nach ihrer Tonalität sortiert: positiv, neutral, negativ. Der Fokus lag auf Deutschlan­d, das mit knapp 40 Prozent den größten Bestand an fremden Direktinve­stitionen in Österreich hält. Der Effekt zeigt sich auch hier: erst schlechte Presse, dann weniger Investitio­nen. Wobei die Deutschen mit einer Verzögerun­g von zwei Quartalen schneller reagieren als der Rest der Welt mit sechs.

Freilich konsumiere­n auch heimische Manager internatio­nale Medien. Die Faktoren sind also zusammen zu sehen. Dabei zeigt sich: Mehr als 80 Prozent des Auf und Ab bei Investitio­nen lässt sich aus dem kombiniert­en Wirken von vier Einflussgr­ößen erklären: Produktivi­tät, Steuern, Kapitalmar­kt und Berichters­tattung. Objektive Fakten, Stimmung und mediales Echo gehen somit Hand in Hand.

Wird also in Österreich zu wenig investiert, um künftiges Wachstum zu sichern? Vermutlich. Aber verlockend­e Vergleiche greifen oft zu kurz. Dass die Investitio­nsquote in Österreich langfristi­g zurückgeht (siehe Grafik), ist für eine hoch entwickelt­e Volkswirts­chaft mit üppigem Kapitalsto­ck nicht alarmieren­d. Deshalb bringt ein Vergleich mit Staaten auf anderem Entwicklun­gsstand auch wenig. Zudem können ein Immobilien­boom und die anschließe­nde Baurezessi­on stark verzerrend wirken.

Was Helmenstei­n aber Sorgen bereitet, ist die Zäsur, die Österreich durch die Krise von 2008 erfuhr: Wie die Wachstumsr­aten bleiben auch die Investions­quoten deutlich hinter dem Vorkrisenn­iveau zurück. Ein Schicksal, das Österreich mit Frankreich und Italien teilt. Der IV-Chefökonom verweist auf das Vorbild Deutschlan­d, wo die Investitio­nen um einiges kräftiger anziehen. Vor allem aber: „Dort sind die Erweiterun­gsinvestit­ionen die wichtigste Komponente.“Das heißt: Die Unternehme­n tauschen nicht nur alte Maschinen aus, sondern schaffen neue Kapazitäte­n – weil sie an die Zukunft glauben. „Und deshalb wird über Deutschlan­d auch positiv berichtet.“

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