Die Presse

Der Traumjob, den Sie nie bekommen werden

Psychologi­e. So schön haben Sie ihn sich ausgemalt: das sonnendurc­hflutete Eckbüro, den Applaus in den Meetings, den Zutritt in die Senator-Lounge. Ganz schlecht, sagt Psychologi­n Gabriele Oettingen. So werden Sie den Job nie bekommen.

- VON ANDREA LEHKY SAMSTAG/SONNTAG, 30. APRIL/1. MAI 2016 „Sprechblas­e“. Warum „ein Thema haben“sehr vieldeutig ist. Porträt. Wo Personaldi­enstleiste­rin Cindy Nicole Plamenig Ideen findet.......................... Colloquium Obergurgl. Wie Unternehme­n zu In

Malen Sie sich doch einmal aus, wie toll Ihr erster Job sein wird. Das forderte die deutsche Psychologi­n Gabriele Oettingen 38 männliche Uni-Absolvente­n auf. In den lebhaftest­en Farben, mit all ihrer Fantasie sollten die Probanden in Tagträumen über ihre künftigen Karriere schwelgen.

Zwei Jahre später kontaktier­te Oettingen sie erneut und fragte nach, wie weit sie es gebracht hatten. Das überrasche­nde Ergebnis: Je lebhafter sich die Probanden ihr Ziel ausgemalt hatten, desto erfolglose­r waren sie im realen Leben. Sie hatten weniger Bewerbunge­n verschickt, weniger Interviews eingefädel­t und weniger gute Jobs ergattert als die nicht so Fantasiebe­gabten – sofern sie nicht überhaupt arbeitslos waren.

Wer träumt, handelt nicht

Ziele visualisie­ren, positiv denken und unerschütt­erlich an die Zukunft zu glauben ist für die in Hamburg und New York lehrende Professori­n ein Dogma des American Dreams: Doch was, wenn gerade solche rosaroten Tagträume der Realität im Weg stehen?

In der Folge variierte Oettingen ihr Experiment für zahlreiche Studien. Studenten, die für eine wichtige Prüfung lernten, sollten sich ausmalen, wie toll es wäre, am schwarzen Brett von einer guten Note zu lesen. Andere sollten visio-

NAVIGATOR nalisieren, was sie in der nächsten Woche alles schaffen wollten.

Das Ergebnis war immer dasselbe: Je intensiver die Tagträume, desto schlechter das Abschneide­n in der Wirklichke­it. Dabei fiel der Professori­n auf, dass bei den Probanden der systolisch­e Blutdruck (der erste Wert einer Messung, der angibt, wie stark das Herz pumpt) während der Visionalis­ierung sank.

Wer von einer Sache begeistert ist, dachte sie, dessen Blutdruck müsste doch in Erwartung einer Aktivität steigen. Ihre Schlussfol­gerung: Tagträume beruhigen und rauben jene Energie, die zum Umsetzen nötig wäre. Außerdem täuschen sie dem Gehirn vor, das Ziel wäre schon erreicht. So nehmen sie ihm den Anreiz, es überhaupt anzupeilen.

Wunsch + Hindernis = Plan

Wie aber, so Oettingen weiter, können wir unsere Tagträume vor den Karren spannen, damit sie uns doch ans Ziel führen?

Wunschbild­er haben ihren Ursprung im Nichtbewus­sten. Wenn wir sie in Kontrast zu den realen Hinderniss­en setzen, die der Verwirklic­hung im Weg stehen, hat die Professori­n vermutet, schaffen wir eine Verbindung zwischen Wunsch und Wirklichke­it.

In mehreren Experiment­en ließ sie Schüler und Studenten erst in Tagträumen zu einem bestimmten Ziel schwelgen. Dann sollten sie sich in gleicher Art die möglichen Hürden vorstellen. Die Kontrollgr­uppen sollten entweder nur schwelgen oder nur grübeln.

Tatsächlic­h erreichten jene Probanden deutlich mehr Ziele, die erst ihrer Fantasie freien Lauf ließen und sich dann die Hürden vorstellte­n. Mit einer wichtigen Einschränk­ung: Das Ziel musste machbar sein und die Probanden glauben, dass sie es erreichen können. Wer von Anfang an zweifelte, packte es gleich gar nicht an.

In ihrem Buch „Die Psychologi­e des Gelingens“(Pattloch) leitet

IIIIOettin­gen ein Konzept ab, das sie mit zahlreiche­n Beispielen belegt. Sie nennt es Woop (Wish, Outcome, Obstacle, Plan bzw. Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan).

Bequem hinsetzen, Augen schließen und auf einen Wunsch (W) konzentrie­ren.

Sich das gewünschte Ergebnis möglichst genau ausmalen (O).

Welche Hinderniss­e (das zweite O) stehen im Weg? Meist sind wir es selbst. Hier nicht mit den ersten Erklärunge­n zufriedeng­eben, sondern tiefer bohren (Warum ist das so?). Das kann ganz schön emotional werden, ist aber eine Erleichter­ung, wenn man den wahren Grund endlich gefunden hat. Was ist zu tun, wenn das Hindernis auftaucht? Wenn-Dann-Pläne erstellen und aufschreib­en (dieselben Worte benutzen).

Blindenhun­d für Sehende

Im Echtfall, so belegt Oettingen, spielen Bewusstes und Unbewusste­s zusammen. Das nunmehr ebenfalls aktivierte Kognitive würde die Pläne zügig anpacken, das Unbewusste die Lösungen parat stellen, wann immer Hinderniss­e auftauchen. Oettingen vergleicht mit einem Blindenhun­d: kein Zaubermitt­el, aber nützlich, den richtigen Weg zu finden.

Die Methode soll vor Prüfungen und Präsentati­onen helfen, gegen Stress und Schmerzen, bei guten Vorsätzen und vielem mehr. Sie lässt sich überall praktizier­en, im Flugzeug genauso wie vor dem Einschlafe­n. Und das Beste: Sie kostet keinen Cent.

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[ Rocketdriv­e/Marin Golemniov] Je lebhafter sich Absolvente­n ihren künftigen Job vorgestell­t hatten, desto weniger erreichten sie ihn.

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