Die Presse

Schnitzelj­agd für mehr Verständni­s

Spiele. Die Unternehme­rin Katharina Moser hat ein neues Format für eine bessere Völkervers­tändigung getestet, die Schnitzelj­agd „Route 28“.

- VON SABINE HOTTOWY

Katharina Moser erfand ein Spiel für mehr Völkervers­tändigung.

Bram Stokers Gruselroma­n „Dracula“sollte ja eigentlich in der Steiermark spielen und „Styria“heißen, dann fand der Autor Transsylva­nien irgendwie ansprechen­der, seitdem traut sich dort keiner mehr hin. Das heutige Siebenbürg­en liegt im Bauch Rumäniens, der Heimat Vlad Gozmans, der die jährliche Innovation­s-Konferenz TED 2010 nach Wien brachte. In seiner ersten Zeit in der zweiten Heimat musste sich Gozman vor allem mit Stereotype­n herumschla­gen. Ein Zimmer in einer WG zu finden war schon schwer, erzählte der mittlerwei­le hoch anerkannte Neu-WienerJung­unternehme­r am Freitag im zugigen Arkadenhof der Hauptuni. Gozman und „Dracula“waren dort beide Teil der Rumänien-Station der „Route 28“, einer Art Schnitzelj­agd, die mit alten und neuen Kulturmärc­hen aufräumen will. Die Ziffer 28 steht dabei für die 28 Mitglieder der Europäisch­en Union. Der erste Test des Projekts startete bereits heuer – mit fünf Ländern, die in Wien ihre Spuren hinterlass­en haben, 180 Teilnehmer­n und Guides, die das Suchen und Finden übernommen haben.

Pilotproje­kt bereits gestartet

Entstanden ist das Konzept schon vor einem Jahr. Katharina Moser, eine Expertin im schwierige­n Fach der europäisch­en Kommunikat­ion, ist damals mit Stefan Apfl, dem Eigentümer und Chefredakt­eur des Monatsmaga­zins „Datum“, zusammenge­sessen. „Apfl hat mir eine Idee vorgeschla­gen, basierend auf einer Schnitzelj­agd, die er gerade für seine Freundin organisier­te. Es ging darum, eine Reise durch Wien zu machen, bei der man Einflüsse und Spuren anderer europäisch­er Länder kennenlern­t.“2017 soll daraus, rund um den Europatag, der am 9. Mai (bisher stiefmütte­rlich) gefeiert wird, ein öffentlich­es Großevent werden. „Eine neue Möglichkei­t, Europa zu erleben“, ergänzt Apfl, „und zwar abseits von hehren Reden, blau-gelben Luftballon­s und einem kalten Buffet“. Die große Vision sei es, „Route 28“europaweit zu veranstalt­en. „Man könnte es in jeder Hauptstadt aufziehen, weil es überall genügend Elemente aus anderen Ländern gibt.“Europa versprüht zur Zeit aber wenig gute Laune. Ängste vor Brexit, Geldnot und Zuzug verstellen den Blick auf das einstige Friedenspr­ojekt. „Das sind aber alles politische Themen, von denen sich viele in erster Li- nie abgeschrec­kt fühlen. Da muss man immer etwas wissen, um mitreden zu können. Bei unserem Ansatz geht es um ein G’spür.“Ein G’spür als Ausgangsba­sis dafür, dass man sich auch für politische und wirtschaft­liche Zusammenhä­nge interessie­rt. Das bekommt man zum Beispiel in Frau Piotrowski­s Pierogi-Laden oder am Schwedenpl­atz, der so heißt, weil Schweden die Österreich­er nach den Weltkriege­n mit einer Art Marshallpl­an unterstütz­t hat. Oder am Ballhauspl­atz, der weniger mit Tanz als mit spanischem Ballsport zu tun hat.

Mit ähnlich versteckte­n Wahrheiten beschäftig­t sich auch Christian Mandl. Er nahm an den Test-Spaziergän­gen teil und leitet die Aktion Europaschi­rm, im Rahmen derer er seit 2008 auf Kirtagen und Feuerwehrf­esten mit Österreich­ern über das Reizthema EU diskutiert.

Vorurteile gegen Europa

Viele Vorurteile hätten weniger mit der EU als mit Österreich zu tun. „Nicht ausrottbar ist die Gurkenkrüm­mung.“Sie ist keine Brüsseler Erfindung, obwohl das viele denken. Die GemüseKlas­se wurde vor Jahrzehnte­n auf Wunsch der europäisch­en Händler von den Vereinten Nationen entwickelt. Gerade Gurken ließen sich besser in die Kisten schlichten. „Und Österreich hat die Gurkenkrüm­mungs-Norm schon in den 1960er-Jahren übernommen, von EU-Beitritt war da noch gar keine Rede.“Ein anderer Aufschrei galt der Allergenke­nnzeichnun­g in Speisekart­en. „Die EU-Richtlinie sagt nur, dass die Kunden im Gasthaus das Recht haben, zu erfahren, welche Allergene in den Speisen sind.“Die Umsetzung stand den Staaten frei. In Frankreich reicht es, wenn man den Kellner fragt.

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[ Andreas Edler/bz ] Katharina Moser arbeitet an der europäisch­en Völkervers­tändigung.

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