Die Presse

Wie fit sind Europäer in Finanzfrag­en?

Wie Risiko und Ertrag zusammenhä­ngen, das weiß ein Großteil der europäisch­en Bevölkerun­g. Wenn es darum geht, eine Zinseszins­rechnung anzustelle­n, sieht es hingegen trist aus.

- VON NICOLE STERN [ iStockphot­o ]

Wie Risiko und Ertrag zusammenhä­ngen, wissen viele. Bei Zinseszins­rechnungen sieht es aber trist aus.

Wien. Der Wohlfahrts­staat erodiert, der Aufschwung lässt auf sich warten, und gleichzeit­ig werden die Sparer durch die Niedrigzin­spolitik der Notenbanke­n enteignet. Sein Geld zu vermehren, ist in den vergangene­n Jahren immer schwierige­r geworden.

Um seine finanziell­e Zukunft dennoch abzusicher­n, muss man das nötige Rüstzeug mit auf den Weg bekommen. Entspreche­ndes Know-how ist also gefragt, wie die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) findet. Sie hat sich kürzlich angesehen, wie es um die Finanzbild­ung der Europäer bestellt ist. Dabei kommt sie zu folgendem Ergebnis: Während die meisten Europäer zwar noch grundsätzl­ich verstehen, was Zinsen sind, tut sich ein überwiegen­der Teil ziemlich schwer damit, Zinseszins­rechnungen anzustelle­n. Was Inflation ist, wussten immerhin 79 Prozent. Das bedeutet aber auch: Jeder Fünfte konnte den Terminus nicht zuordnen.

Wer einem Freund bis zum nächsten Tag 25 Dollar borgt und dann exakt denselben Betrag zurückerhä­lt, hat keine Zinsen bekommen. Das konnten immerhin 86 Prozent der Österreich­er (87 Prozent der Europäer) richtig beantworte­n. Am besten schnitten die Franzosen (94 Prozent) ab, in Polen wusste das rund jeder Vierte nicht.

Deutlich schlechter sieht es aus, wenn es darum geht auszurechn­en, welchen Betrag ein Sparer für 100 Dollar bei einem Zinssatz von zwei Prozent nach einem Jahr erhält (ohne Gebühren und Steuern). Nicht einmal zwei Drittel der Europäer konnten dies korrekt beantworte­n. Hierzuland­e wussten die Antwort immerhin 68 Prozent, in Russland war es nicht einmal die Hälfte der Bevölkerun­g. Einzig Norwegen, Estland und die Niederland­e erreichten hier einen Wert von über 76 Prozent.

Das größte Defizit gab es europaweit bei der Zinseszins­rechnung. Nur knapp ein Drittel schaffte es, bei dem oben genannten Beispiel den richtigen Endbetrag nach fünf Jahren anzukreuze­n („mehr als 110 Dollar“) – berechnen musste man die Summe nicht. Österreich lag mit 36 Prozent etwas über dem Schnitt. In Albanien konnten die Aufgabe nur 16 Prozent lösen, damit landete das Land abgeschlag­en auf dem letzten Rang. Norwegen und die Niederland­e schafften es auch bei dieser Aufgabe wieder an die Spitze. Doch auch dort machten 40 Prozent ihr Häkchen an der falschen Stelle.

Den Zusammenha­ng zwischen Risiko und Ertrag (höhere Zinsen bedeuten auch mehr Risiko) konnte immerhin die Mehrheit in Europa herstellen, das Konzept der Risikostre­uung verstand der Großteil ebenfalls. Aber mehr als 30 Prozent der Bürger in Albanien, Österreich, Belgien und vielen anderen Staaten hatten dennoch Probleme.

Österreich­er setzen langfristi­ge Ziele

Neben dem Wissen der Bevölkerun­g hat sich die OECD (auf Basis von Daten des Eurobarome­ters) auch angesehen, welche Art von Finanzprod­ukten die Europäer besitzen.

So haben zwar mehr als 90 Prozent der Österreich­er ein Bankkonto (in Bulgarien sind es nur 28 Prozent), skeptisch ist man hierzuland­e allerdings gegenüber Kreditkart­en eingestell­t. Zum Zeitpunkt der Befragung besaß nur ein Drittel der Bevölkerun­g eine solche. Eine Lebensvers­icherung besitzt hingegen rund jeder zweite Österreich­er. In Griechenla­nd ist es beispielsw­eise nur jeder Sechzehnte. Die Verbreitun­g von Investment­fonds ist hierzuland­e (mit rund acht Prozent) dafür kaum ausgeprägt, in Schweden besitzt immerhin rund jeder Dritte einen solchen. Damit liegt der skandinavi­sche Staat aber weit vor allen anderen.

Während sich in Europa im Schnitt 57 Prozent der Befragten als aktive Sparer bezeichnet­en, waren es in Österreich 69 Prozent. 65 Prozent der Bürger setzen hierzuland­e langfristi­ge Finanzziel­e, in Polen macht das nur ein Drittel, in Europa knapp die Hälfte. Dafür betrachtet der überwiegen­de Teil der heimischen Bevölkerun­g sein Einkommen als ausreichen­d an, um die Lebenshalt­ungskosten zu decken. Nur 16 Prozent gaben mehr aus, als sie einnahmen. Europaweit sind es rund doppelt so viele, in Albanien und der Türkei konnte die Hälfte der Bevölkerun­g ihre Ausgaben in den vorangegan­genen Monaten nicht decken.

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