Die Presse

Berlin unter Beobachtun­g

Handel. Das US-Finanzmini­sterium setzt Deutschlan­d auf eine Liste, weil es zu hohe Exportüber­schüsse erzielt. Auch andere Staaten sind betroffen.

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New York/Wien. Das amerikanis­che Finanzmini­sterium hat Deutschlan­d wegen seines Exportüber­schusses auf eine Beobachtun­gsliste gesetzt. Das geht aus einem halbjährli­chen Bericht der US-Behörde hervor. Neben der Bundesrepu­blik verdächtig­en die USA auch China, Japan, Südkorea und Taiwan unfairer Außenhande­lspraktike­n.

Die US-Behörde kritisiert, dass Deutschlan­d im Handel mit den USA mehr exportiere als importiere. Zusätzlich prangerte das Ministeriu­m den generellen Außenhande­lsüberschu­ss der Bundesrepu­blik an. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die USA diesbezügl­ich kritisch äußern. Ein weiteres Kriterium unfairer Handelspra­ktiken sei ein wiederholt­es Eingreifen in den Währungsma­rkt, um sich Handelsvor­teile zu verschaffe­n. Keines der fünf Länder erfülle alle Merkmale, die die USA dazu veranlasse­n könnten, bestimmte Gegenmaßna­hmen zu ergreifen.

Deutschlan­d tauscht mit keinem anderen Land so viele Waren aus wie mit der größten Volkswirts­chaft der Welt. Erst im vergangene­n Jahr lösten die USA Frankreich als wichtigste­n Absatzmark­t ab. Die Bundesrepu­blik exportiert­e Waren im Wert von rund 114 Mrd. Euro in die USA. Die Ausfuhren überstiege­n die Einfuhren damit um knapp 55 Mrd. Dollar.

Schwacher Euro hilft

Die Gründe dafür liegen unter anderem im schwachen Euro, der es europäisch­en Firmen ermöglicht, Waren günstiger ins Ausland zu verkaufen. Hinzu kommt die vergleichs­weise gute Konjunktur der USA. Wegen des Ölpreisver­falls muss Deutschlan­d zudem weniger für dessen Import bezahlen.

„Wenn der Euro so weit abwertet durch die Geldpoliti­k, dann darf man sich natürlich nicht wundern, dass unsere Exporte eher zunehmen“, sagte Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin Angela Merkel beim Deutschen Industrie- und Handelskam­mertag (DIHK) im März. Man könne Deutschlan­d nicht dafür verantwort­lich machen, „dass Gegebenhei­ten so sind wie sie sind“. Deswegen sei das Land auf seine Außenbilan­züberschüs­se „auch ein Stück stolz“.

Angaben des Münchner Wirtschaft­sforschung­sinstituts Ifo zufolge wiesen die Deutschen im vergangene­n Jahr mit 280 Mrd. Dollar (252,05 Mrd. Euro) den weltweit zweithöchs­ten Leistungsb­ilanz- überschuss nach China aus. Seit 2010 lag die Bundesrepu­blik stets auf dem ersten Rang. Japan belegt in der Rangliste Platz Drei.

Der deutsche Überschuss entspricht 8,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es. Ein dauerhafte­r Wert von mehr als sechs Prozent wird von der EU-Kommission als stabilität­sgefährden­d eingestuft. Erst 2014 bekam die Regierung in Berlin dafür eine Rüge aus Brüssel. Damals räumte die Kommission aber auch ein, dass die hohe Wettbewerb­sfähigkeit der exportabhä­ngigen Industrie für den Überschuss sorgt.

Das US-Finanzmini­sterium appelliert­e nun an Berlin, statt hohe Sparrückla­gen zu bilden, solle man den Handelsübe­rschuss zur Stimulieru­ng des Binnenkons­ums nutzen. Eine steigende Nachfrage nach ausländisc­hen Gütern würde wesentlich dazu beitragen, eine ausgewogen­ere Außenhande­lsbilanz zu schaffen.

In Deutschlan­d sind die Löhne lange nicht gestiegen, doch hat sich das inzwischen geändert. Im Vorjahr gab es das größte Lohnplus seit über 20 Jahren. Die Reallöhne wuchsen um 2,5 Prozent, das war der größte Anstieg seit dem Jahr 1992. (ag./red.)

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