US-Geldpolitik treibt Schwellenländer
Aufholjagd. Die Rohstoffpreise stabilisieren sich, und die US-Notenbank nimmt eine abwartende Haltung ein. Beides sind Grundlagen für eine Erholung der Emerging Markets.
Wien. Wenig überraschend verlief die US-Notenbanksitzung am vergangenen Mittwoch. Der Leitzins blieb unverändert in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,5 Prozent, trotz guter Arbeitsmarktzahlen. Martin Moryson, Chefvolkswirt des Bankhauses Sal. Oppenheim, erklärt: „Nach der aktuellen Datenlage spricht viel dafür, dass die US-Notenbank Fed im Juni die Zinsen um einen weiteren Minischritt anheben wird.“
Doch allein die Drosselung des Tempos bei den Zinserhöhungen ist für Schwellenländer eine wichtige Stütze. Die Aussicht auf höhere US-Zinsen hat Anleger veranlasst, ihre Anleihebestände in den Schwellenländern zu verkaufen, um in US-Bonds – die als sicherer gelten – zu wechseln. Zudem haben sich die Dollar-Schulden der Schwellenländer verteuert.
Aufgrund der abwartenden Fed-Haltung dürfte die Dollaraufwertung nun gestoppt sein, meinen Experten, der Kurs könnte sogar sinken. Und da Rohstoffe in Dollar gehandelt werden, nehmen gerade die rohstoffexportierenden Nationen aus den Schwellenländern dann mehr ein, solange sich mit dem fallenden Dollar auch die Rohstoffpreise stabilisieren, immerhin steigt derzeit der Ölpreis.
Dabei gibt es sogar eine hohe Korrelation zwischen anziehenden Rohstoffpreisen und den Schwellenländerbörsen, so Rashique Rahman, Ko-Fondsmanager des Invesco Emerging Markets Bond Fund, auch wenn ein guter Teil der Emerging Markets auf Rohstoffimporte angewiesen sei: „Es ist zugleich ein Signal, dass die Weltwirtschaft sich erholt. Davon profitieren alle Schwellenländer.“Vor allem Russland und somit auch der Rubel haben unter dem Ölpreisverfall gelitten. Inzwischen sieht Rahman bei entsprechenden Anleihen und der Währung Potenzial.
Brasilien: Möglicher Machtwechsel
Seit Februar habe man auch verstärkt Positionen aus Asien nach Lateinamerika umgeschichtet. Regionale Favoriten sind etwa Brasilien, Argentinien und Kolumbien. „In Brasilien könnte allein die Aussicht auf einen möglichen Regimewechsel den Bondmarkt weiter beflügeln“, meint Rahman.
Allerdings wird auch die nachfolgende Regierung alle Hände voll zu tun haben: Andrew Grijns von Pictet Asset Management verweist auf „die schwere Rezession. Die Arbeitslosenrate ist zudem fulminant angestiegen.“
Argentinien profitiere wiederum von der Einigung mit US-Großanlegern: „Wir haben uns an der jüngsten Emission argentinischer Staatsanleihen beteiligt“, sagt auch InvescoExperte Rahman.
Doch das Spektrum in den Schwellenländern ist breit gefächert. Grijns nutzt etwa Chancen in Dollaranleihen aus Marokko. Die Wirtschaft profitiere von der Auslagerung der französischen Autoindustrie. In Indonesien stimme die neue Regierung optimistisch. Und bei Anleihen in lokaler Währung zählen vor allem mexikanische Anleihen zu den aktuellen Favoriten. Immerhin kommt die Wirtschaftserholung beim großen Nachbarn USA dem Land zugute.
Osteuropäische Länder holen auf
Enzo Puntillo vom JB Emerging Markets Opportunities Bond Fund verweist weiters auf Chancen in Osteuropa: „Länder wie Kroatien und Ungarn sind nach ihrer wirtschaftlichen Neuausrichtung stärker als vorher aufgestellt.“
Die Erholung in den Schwellenländern hat auch auf den Aktienmärkten positive Auswirkungen. Robert Marshall-Lee, Fondsmanager des Newton Global Emerging Markets Fund, nutzt diese etwa in Indien. „Die Regierungsreformen gehen in die richtige Richtung, die Produktivität legt zu.“Veranlagt wird vor allem in den Konsumsektor sowie in private Krankenhausbetreiber.
In China setzt der Newton-Experte auf IT-Werte wie die Internetsuchmaschine Baidu und die Online-Handelsplattform Alibaba. Unlängst verkaufte er Tencent zugunsten des südafrikanischen Medienkonzerns Naspers: „Letzterer Konzern hat sich bei Tencent eingekauft. Zudem ist in Südafrika das Potenzial groß.“
Brasilianische Aktien kommen für Marshall-Lee nicht infrage, „auch wenn wir die fulminante Rallye, die heuer stattgefunden hat, verpasst haben“. Allein das Budgetdefizit habe bereits 10,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht, die Perspektive sei eingetrübt. Der Stewart Investors Global Emerging Markets Leaders Fund setzt derzeit ebenfalls kräftig auf Indien, aber auch auf Südafrika. Zu den größten Positionen zählen etwa Infosys aus der indischen IT-Branche sowie Housing Development Finance. Das Institut ist auf Hypothekardarlehen spezialisiert, in Indien gibt es dabei großes Aufholpotenzial. Dennoch: Auch wenn in zahlreichen Schwellenländern die Chancen intakt sind, ein wichtiger Einflussfaktor wird heuer die weitere US-Notenbankpolitik mit ihren möglichen Zinserhöhungen bleiben.