Die Presse

Eine Stadt erlebt ihr blaues Wunder, doch Leicesters Feier muss warten

Premier League. Die Foxes ließen den ersten Matchball gegen Manchester United ungenutzt, die große Fußballsen­sation ist damit vertagt. Doch die Fans hoffen weiter.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Leicester. Am Stadttheat­er von Leicester hatte gestern „The Importance of Being Earnest“Premiere. Leider interessie­rte sich niemand für die Komödie, in der es heißt: „Klugheit hängt mir zum Hals heraus. Jeder ist heutzutage schlau. Ich wünschte, wir hätten stattdesse­n ein paar Narren übrig.“Ganz großes Theater wird in Leicester dieser Tage nämlich auf der Bühne des Fußballs gegeben, und es ist ein echtes Drama: Mit dem 1:1 gegen Manchester United hat Leicester City FC gestern den ersten Matchball vergeben.

Leistet Chelsea nicht schon heute Schützenhi­lfe gegen Tottenham, bleiben Leicester noch zwei Runden für den ersten Meistertit­el in der 132-jährigen Vereinsges­chichte. Es wäre die größte Sensation, die der englische Fußball je erlebt hat. Wer zu Saisonbegi­nn 100 Pfund auf Leicester als Meister wettete, könnte nun mit 500.000 Pfund nach Hause gehen. Die 20-jährige Risha „riskierte“im August zwei Pfund für ihren als Fixabsteig­er gehandelte­n Klub. „Man darf niemals den Glauben an den Traum verlieren“, sagt sie. Die gesamte 330.000-Einwohner-Stadt erlebt derzeit ihr blaues Wunder. In der Aktion „Backing the Blues“wurden die wichtigste­n Gebäude in blaues Licht getaucht, blau gefärbte Würste verkauft und Klubdevoti­onalien zierten Auslagen.

Das Selbstvert­rauen wächst

Die kollektive Unterstütz­ung trägt den Höhenflug des Vereins. Umgekehrt haben die Foxes das Selbstvert­rauen der Stadt beflügelt. Bürgermeis­ter Peter Soulsby sagt: „Viel zu lang waren die Einwohner von Leicester bezüglich ihrer Leistungen und der Errungensc­haften ihrer Stadt allzu bescheiden.“Bevor Fußballfan­s weltweit über die Stadt in den East Midlands zu sprechen begannen, war sie vor allem für ihre ethnische Vielfalt bekannt: Die Volkszählu­ng 2011 wies Leicester als erste Großstadt des Landes aus, in der weiße Briten in der Minderheit sind.

Politisch ist Leicester fest in der Hand der Labour Party. Jonathan Ashworth, einer ihrer drei Unterhausa­bgeordnete­n, will für Leicester-City-Manager Claudio Ranieri „für seine phänomenal­e Arbeit“die Erhebung zum Sir: „Er verdient es.“Bekannt ist die Stadt für den Junk-Food-Hersteller Wal- kers und Fußballleg­ende Gary Lineker. „Wir gehen durch die Hölle“, beschreibt der ehemalige Leicester-Spieler und lebenslang­e -Fan das Zittern um den Titel. Bei einem Gewinn der Meistersch­aft will er die BBC-Fußballsen­dung „Match of the Day“in Unterhosen moderieren.

Fußball ist heute das größte gemeinsame Vielfache in Leicester. „Er hat uns den Glauben an uns selbst wiedergege­ben“, sagt Gemüsehänd­lerin Vicky über Erfolgstra­iner Ranieri. So bunt gemischt wie die Stadt ist auch die Mannschaft: Aus 14 Nationen kommen die Spieler, darunter Christian Fuchs, der nun als erster Österreich­er englischer Meister werden könnte. Mit 22 Millionen Pfund kostete Leicesters Narrentrup­pe („No Fuchs Given“ist Kult auf YouTube) einen Bruchteil der Millionärs­ensembles von Chelsea, Manchester City oder Arsenal.

Steile Erfolgskur­ve

Vielleicht war der Triumph aber von Geisterhan­d geplant. Seit 2012 unter einem Parkplatz die Gebeine von König Richard III. entdeckt und im Vorjahr beigesetzt wurden, geht es mit dem Verein steil bergauf. Statistike­r haben errechnet, dass die Erfolgsquo­te in diesen drei Jahren von 32 auf stolze 63 Prozent gestiegen ist. Ein Public Viewing im King Power Stadium – nicht nach Richard III., sondern nach dem Konzern des milliarden­schweren thailändis­chen Vereinsbes­itzers Vichai Srivaddhan­aprabha benannt – untersagte gestern der Fußballver­band. So versammelt­en sich Tausende Fans in den Pubs. Kein Auge und keine Kehle blieben da trocken.

Im Jahr 1981 erschien ein Punkalbum mit dem Titel „Where the Hell Is Leicester?“. Der Geschäftsm­ann Stuart Dawkins gestern: „Jetzt weiß die ganze Welt, wo Leicester liegt.“

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[ AFP ] In den Pubs fieberten Leicester-Fans mit. Noch müssen sie sich gedulden.

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