Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak

Wer auch immer dem SPÖ-Chef folgen wird: Sie oder er wird sich wohl der FPÖ öffnen. Und der ÖVP ein ernstes Problem bereiten.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com Mehr zum Thema: Seite 1

So beginnt ein würdeloses Ende. Werner Faymann wurde auf der größten Bühne des Landes gedemütigt, beschimpft, ausgepfiff­en und ausgebuht. Und nicht etwa von wütenden FPÖ-Anhängern, sondern von der eigenen Parteibasi­s. Die Bilder des kaum hörbaren Parteichef­s, der da auf dem Wiener Rathauspla­tz beim Maiaufmars­ch versucht hat, eine kurze Rede zu halten, werden die Spirale in Gang setzen beziehungs­weise sie beschleuni­gen, an deren Ende ein neuer Parteichef und Bundeskanz­ler stehen wird. Michael Häupl wird den Deckel auf dem Druckkocht­opf nicht mehr halten können. Zu viel ist da in den vergangene­n Tagen nach der Tragödie des Rudolf Hundstorfe­r bei der Präsidents­chaftswahl in Runde eins in Bewegung gekommen. Die Rufe nach einem Rücktritt Faymanns wollen ebenso wenig verstummen wie die Vorschläge – die höfliche Rücktritts­forderungs­variante – zur Vorverlegu­ng des Parteitags. Vor allem aber ist der Kurs der Partei in die Kritik geraten, der nur bedingt mit Werner Faymann zu tun hat. Weder hat er einen Kurs, noch könnte er ihn halten. Wie von meiner Kollegin Ulrike Weiser an dieser Stelle präzise formuliert, sind es Flüchtling­e und Freiheitli­che, die das Selbstvers­tändnis ins Wanken bringen.

Auf der einen Seite die Wiener Stadtratsr­iege, die sich sowohl gegen die Verschärfu­ng der Asylpoliti­k als auch gegen die Öffnung zur FPÖ stellt. Auf der anderen stehen Pragmatike­r wie Hans Niessl, die die FPÖ-Wähler lieber umarmen wollen. Auf beiden Seiten halten sich Überzeugun­g und politische­s Kalkül für die jeweilige Einstellun­g die Waage, nach jeder weiteren verlorenen Wahl wird Zweiteres existenzie­ller für die SPÖ. Das hat die Präsidents­chaftswahl deutlich gezeigt. Dass die Gewerkscha­ft in Richtung FPÖ schwenkt, ist nicht wirklich verwunderl­ich: In der Sozial- und Wirtschaft­spolitik stehen sich SPÖ und FPÖ viel näher als die beiden Sozialpart­ner-Parteien. Gegen einen Flirt mit der FPÖ würden viele, die da am 1. Mai Faymann ausbuhten, auch pfeifen, waren das am Sonntag doch vor allem die jungen und ideologisc­h noch treuen Genossen. Aber Faymanns Spielchen, mit der harten Asylpoliti­k die Burgenländ­er, die Restroten in den Ländern und den rechten Wiener SPÖ-Flächenbez­irke-Flügel einzufange­n und mit der scharfen Abgrenzung zu Heinz-Christian Strache die RathausFra­ktion mit den Wehsely-Schwestern an der Spitze zu bedienen, funktionie­rt nur am Schreibtis­ch im Kanzleramt. Beide Flügel verhandeln schon mit potenziell­en Nachfolger­n. In dieser Woche könnte dem Vernehmen nach schon jemand den Kopf herausstre­cken. Dieser Kopf wird dann die rote Gretchenfr­age beantworte­n müssen: Wie hast du’s mit der FPÖ? Die Antwort wird wohl wahrheitsg­emäß lauten: Immer öfter. Das wird intern ruppig und laut werden, ein paar Abgänge und Austritte zur Folge haben. Eine Spaltung ist nicht ausgeschlo­ssen. Auch wenn in Österreich­s Parteien zwecks Machterhal­t intern notfalls der Spiegel, in dem man sich eben noch sehen konnte, gern einfach verdeckt wird.

Für eine andere Partei brächte die SPÖ-Annäherung ein echtes Dilemma: Bisher hatte nur die ÖVP zwei Koalitions­möglichkei­ten, nun könnte sie plötzlich zum weinenden Dritten werden. Rein machtpolit­isch war wohl Werner Faymann angenehmer, weil ungefährli­cher für die Volksparte­i. Dass deren Obmänner das nie nutzen konnten und es nie auf Platz eins geschafft haben, sagt eine Menge über deren politische­s Handwerk aus.

Sollte tatsächlic­h Irmgard Griss noch ein Parteien-Start-up für die nächste Nationalra­tswahl gründen, wird das bürgerlich­e Lager weiter zersplitte­rt. Dies und die Druckkocht­opfentwick­lung der SPÖ könnten die viel zitierten italienisc­hen Jahre bringen, die nach der Implosion der Christdemo­kraten Ende der 80erund Anfang der 90er-Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts einen gewissen Silvio Berlusconi an die Macht brachten. Es hat mehr als zwei Jahrzehnte gedauert, bis heute wieder ein Sozialdemo­krat einigermaß­en stabil in Rom regieren kann. Genau daran denken die potenziell­en Nachfolger Faymanns dieser Tage sehr oft. Aber Angst war und ist nie ein guter Ratgeber.

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