Die Presse

Schwierige­r Umgang mit Unsicherhe­it

Der Klimawande­l ist unbestritt­en. Prognosen für Wetter oder Wirtschaft sind aber schwierig, wie eine Salzburger Forscherin anhand der Unsicherhe­it von Klimamodel­len zeigt.

- VON CLAUDIA LAGLER

Auch wenn wir es nicht gern hören: Es gibt einen weltweiten Temperatur­anstieg. Doch wie sich diese Erhöhung wo in welcher Form auswirkt, lässt sich nicht eindeutig prognostiz­ieren. Es gibt viele Unsicherhe­iten, die Forscher in ihren Klimamodel­len akzeptiere­n müssen, um am Ende eine Vorhersage machen zu können. Wenn die Ergebnisse solcher Berechnung­en veröffentl­icht werden, dann bringen Medien und Politik die Botschafte­n auf den Punkt. Je nachdem wird in Horrorszen­arien oder Entwarnung­en ein Bild in Schwarz oder Weiß gemalt. Dass die Berechnung­en auch mit Unsicherhe­iten behaftet sind, fällt oft unter den Tisch.

Die Unsicherhe­iten bei Klimaprogn­osen sind das Spezialthe­ma einer Salzburger Wissenscha­ftlerin. Charlotte Werndl, Professori­n für Logik und Wissenscha­ftstheorie am Fachbereic­h Philosophi­e der Uni Salzburg, ist nicht nur ausgebilde­te Philosophi­n, sondern auch Mathematik­erin. Der interdiszi­plinäre Zugang macht sie zu einer gefragten Ansprechpa­rtnerin für Klimaforsc­her, die sich mit erkenntnis- und entscheidu­ngstheoret­ischen Perspektiv­en auseinande­rsetzen. Bis zur Berufung an die Uni Salzburg arbeitete Werndl an der London School of Economics eng mit Klimaforsc­hern zusammen.

„Die Durchschni­ttstempera­tur der Erde steigt. Daran gibt es keinen Zweifel“, erklärt Werndl. Aber in die riesigen Modellrech­nungen der Klimaforsc­her fließen viele Variablen ein, die nicht eindeutig bestimmbar sind.

Klima für 2050 unberechen­bar

Ein Beispiel: Um eine weltweite Klimavorhe­rsage für das Jahr 2050 berechnen zu können, braucht es von jedem Punkt der Erde das aktuelle Wetter. „So viele Messpunkte gibt es gar nicht“, macht Werndl deutlich. Ausgangsba­sis der Klimamodel­le sind immer auch Schätzunge­n und Annahmen. „Anders geht es gar nicht“, sagt Werndl.

Das macht diese Vorhersage­n nicht unbrauchba­r. Aber die Unsi- cherheiten etwa bei den Ausgangsbe­dingungen müssten auch bei der Präsentati­on des Ergebnisse­s offen angesproch­en werden, fordert Werndl. Die Wissenscha­ftler würden dies meist tun. Doch in die Berichters­tattung über die Ergebnisse, die ja auch Basis für konkretes Handeln sind, fließen sie häufig nicht mehr ein. Wenn beispielsw­eise aufgrund von Klimaprogn­osen ein besserer Hochwasser­schutz geplant werde, müsse man sich sehr genau ansehen, auf Basis welcher Annahmen und Variablen die Modellrech­nung erstellt wurde. Sonst könne es passieren, dass viel Geld in eigentlich sinnlose Maßnahmen investiert werde, sagt Werndl.

Die Fragen, mit denen sich die Philosophi­n beschäftig­t, klingen nur auf den ersten Blick einfach: Was genau bedeutet Klima und Klimawande­l? Warum wissen wir, dass es den Klimawande­l gibt? „Es gibt bisher in Wissenscha­ftskreisen keine einheitlic­he Meinung darüber, was die beste Evidenz für den Klimawande­l darstellt“, erläutert die Salzburger­in.

Treibhausg­as als Evidenz?

Es gebe ein Lager, das von einem eher physikalis­chen Verständni­s, basierend auf dem Treibhausg­as ausgehe, ein anderes ziehe Evidenz von komplexen Klimamodel­len vor. Die Diskussion darüber läuft.

Werndl geht es auch um die Konzeption­ierung der Unsicherhe­it in einer Modellrech­nung. Kleine Unsicherhe­iten könnten in komplexen Prognosere­chnungen große Auswirkung­en auf das Ergebnis haben. „Für unser Handeln ist es wichtig, dass wir diese Unsicherhe­iten auch kennen“, plädiert sie für einen offenen Umgang.

Schließlic­h gehe es darum, auch künftigen Generation­en eine lebenswert­e Welt zu hinterlass­en. „Das ist eine ethische Frage, die wir uns stellen müssen“, sagt Werndl. Den Einfluss des Menschen auf den Klimawande­l könne man nicht mehr leugnen.

Es werde Zeit, dass endlich stärkere Maßnahmen gesetzt werden, um den Temperatur­anstieg zu begrenzen. Modelle, die nicht nur schwarz-weiß malen, sondern offen mit Unsicherhe­iten umgehen, sind für Werndl eine Grundvorau­ssetzung dafür, dass aus guten Vorsätzen auch konsequent­es Handeln werden kann.

von Kohlendiox­id, Methan und Stickstoff­oxid sind durch menschlich­e Aktivitäte­n seit den 1750er-Jahren drastisch gestiegen. Der Anstieg wurde hauptsächl­ich durch die Verwendung fossiler Brennstoff­e und die Landwirtsc­haft verursacht.

ist durch Daten der weltweiten Oberfläche­ntemperatu­r, der Ozeantempe­ratur, des Schmelzens von Eis und Schnee und der Zunahme des Meeresspie­gels belegt. Eine Erwärmung der Erde um etwa 0,2°C pro Jahrzehnt wird für die nächsten zwei Jahrzehnte vorhergesa­gt.

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[ Ashley Cooper/picturedes­k.com ] Nicht zu früh freuen sollen sich Antarktis-Forscher über Klimamodel­le. Jedes Szenario hat auch Unsicherhe­iten.

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