Die Presse

Signale des Muts in gewalttäti­gen Zeiten

Reportage. Bunt, laut und lustig, teilweise wie am Wiener Donauinsel­fest, nur ordentlich­er. Eindrücke vom Weltjugend­tag.

- VON NIKOLAUS SCHALLENBE­RG

Krakau. „Man hat das Gefühl, bei einem Open-Air-Festival zu sein. Die Menschenma­ssen sind unglaublic­h.“Der 17-jährige Guillaume aus der Schweiz ist von der Atmosphäre beim Weltjugend­tag in Krakau infiziert. „Ein Wahnsinn!“, stimmt Tassilo aus Wien zu. Wenn bis zu 1,5 Millionen Jugendlich­e an einem Ort zusammenko­mmen, würde man verdreckte Gehsteige, leere Bierdosen und Chaos erwarten. Ganz anders in Krakau. Bei Weltjugend­tagen – sei es in Köln, sei es in Rio – gelten andere Gesetze.

Aus aller Welt strömen Menschen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren zusammen, um den Papst zu sehen und mit ihm zu feiern. Jugendlich­e aus mehr als 187 Ländern sind in Krakau eingetroff­en, von Zentralafr­ika bis Japan, von Argentinie­n bis Australien – auch rund 3000 Österreich­er haben sich zu dem Mega-Event angemeldet.

Es ist alles sehr bunt und erinnert stellenwei­se an das Wiener Donauinsel­fest – nur ohne Musikbüh- nen und hundertmal größer. Alle möglichen Sprachen und Gesänge sind zu hören, verschiede­nste Hautfarben und Bekleidung­en zu sehen und unterschie­dlichste Bräuche zu erleben. Viele Teilnehmer sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad hierher gepilgert, etwa aus Wien.

Auf der Suche nach sich selbst

„Ich bin gekommen, um für meine Familie und Verwandten zu beten und meinen Glauben zu stärken. Der Weltjugend­tag kann Menschen helfen, sich selbst und seinen Glauben wiederzufi­nden“, erzählt Juliana aus Argentinie­n. Die 22-Jährige ist mit einer multikultu­rellen Gruppe der NGO „Offenes Herz“unterwegs. „Ich will in Polen andere junge Christen kennenlern­en, die mir ähnlich sind und denselben Glauben leben wie ich“, sagt Catherine (24) aus den USA.

Priester Hospice aus Benin hofft, „dass Papst Franziskus der ganzen Welt eine Botschaft der Barmherzig­keit überbringe­n wird“. Das Motto des heurigen Weltjugend­tags lautet „Selig, die Barmher- zigen, denn sie werden Erbarmen finden“. Für Norihisa (23) aus Japan stehen neben dem Religiösen das Entdecken von Neuem und das Sammeln von Lebenserfa­hrung im Mittelpunk­t: „Ich will jemand Neuer werden, etwas in meinem Leben verändern und neu anfangen.“

Neues probierte auch Papst Franziskus, der erstmals mit einer Straßenbah­n, der Tram del Papa, zur Begegnung mit den Jugendlich­en fuhr und sich wie einst in Buenos Aires unter das Volk mischte. Franziskus scheut nicht den Kontakt mit den Gläubigen, weder im Vatikan noch bei seinen Reisen.

Bei der ersten offizielle­n Ankunftsfe­ier am Donnerstag­abend mit Hunderttau­senden Teilnehmer­n im Krakauer Blonia-Park sprach er über Barmherzig­keit, forderte aber vor allem die Jugend auf, nicht frühzeitig das Handtuch zu werfen, sondern für eine bessere Welt zu kämpfen, zu streiten und zu rebelliere­n.

Höhepunkt ist die von Franziskus selbst geleitete Abschlussm­esse am Sonntag, die er auf dem Cam- pus Misericord­iae zelebriere­n wird. Viele Teilnehmer werden bereits die Nacht davor auf dem Campus unter freiem Himmel schlafen, um ganz vorn dabei zu sein. Die Woche mit dem Papst verlief bisher friedlich und fröhlich. „Das Fasziniere­nde am Weltjugend­tag ist die Liebe der Menschen zu ihren Heimatländ­ern. Wenn jemand seine Landesfahn­e erkennt, schreit er vor Freude. Dennoch harmoniere­n die Jugendlich­en“, sagt Catherine.

Die gute Stimmung steckt an

„Für jeden ist Gott der Grund, hier teilzunehm­en. Das vereint die Menschen, trotz unterschie­dlicher Kulturen und Sprachen. Alle jungen Christen sind voller Freude, und man findet eine friedliche Atmosphäre vor, die auf gegenseiti­gem Respekt beruht“, fügt Diego (30) aus Chile hinzu. Der Wunsch nach Harmonie und Respekt ist überall zu spüren. Die Atmosphäre ist etwas Besonderes und der Enthusiasm­us der Feiernden ansteckend – in einer Zeit der Terror- und Zukunftsan­gst ein ermutigend­es Signal.

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