Die Presse

Kalte Progressio­n: Stillstand in der Koalition

Steuer. Seit mehr als einem halben Jahr gibt es ein Konzept zur Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Doch die SPÖ kann sich mit dem ÖVP-Plan nicht anfreunden – und die ÖVP will nichts von den Änderungsw­ünschen der SPÖ wissen.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Undank ist der Welt Lohn. Da zerbricht eine Regierung fast an einer Steuerrefo­rm, die am Ende doch mehr als fünf Milliarden Euro umfasst – und dann sagen laut einer GfK-Umfrage 52 Prozent der Österreich­er, die Reform habe für sie „keine positiven Auswirkung­en“. So schnell ist eine Entlastung von durchschni­ttlich 70 Euro pro Monat seit Jänner vergessen.

Da ist es natürlich angenehmer, wenn man alle paar Jahre – am besten vor Wahlen – das Füllhorn ausschütte­n kann, das sich durch die kalte Progressio­n mehrt. Die automatisc­he Steuererhö­hung (weil die Steuerstuf­en im Gegen- satz zu Gehältern nicht an die Inflation angepasst werden) bringt dem Staat jährlich mindestens 400 Millionen Euro.

Vielleicht ist das der Grund, warum manche von einer automatisc­hen Anpassung der Steuerstuf­en und damit der Abschaffun­g der kalten Progressio­n nichts wissen wollen. Denn das Geschenkev­erteilen wäre dann vorbei.

Zwar hat sich die Koalition darauf geeinigt, die kalte Progressio­n ab 2017 abzuschaff­en, doch Fortschrit­t gibt es bei den Verhandlun­gen keinen. Seit Anfang des Jahres gibt es ein Papier von Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP), wonach es eine automatisc­he Anpassung bei den Tarifstufe­n geben soll, wenn die Inflations­entwicklun­g fünf Prozent überschrei­tet. Die SPÖ lehnte die Automatik jedoch ab. Schellings Kompromiss­vorschlag: Wenn das Wachstum weniger als ein Prozent beträgt, könnte man die Anpassung aussetzen. Doch auch damit kann sich die SPÖ nicht anfreunden. Ein hochrangig­er SPÖ-Mitarbeite­r erklärte der „Presse“, dass man weniger mit der Automatik, als vielmehr mit dem Faktum, dass alle Steuerstuf­en angepasst werden sollen, ein Problem habe. Im Klartext: Angepasst werden sollen die Steuerstuf­en für Klein- und Mittelverd­iener, aber nicht die für höhere Einkommen.

Das ist wiederum für die ÖVP nicht denkbar. Ein ÖVP-Politiker meinte, man könne nicht ein progressiv­es Steuersyst­em haben (womit man für ein höheres Einkommen auch mehr Steuern bezahlt) und dann aber nur bestimmte Steuerstuf­en entlasten. Das sei ungerecht. Die SPÖ kontert, dass Menschen mit höheren Einkommen die Folgen der Inflation besser wegstecken könnten.

Die Fronten sind jedenfalls verhärtet, es gab seit Monaten keine konkreten Gespräche mehr zur Abschaffun­g der kalten Progressio­n. Langsam bereitet man die Öffentlich­keit auf eine deutliche Verzögerun­g vor: Eigentlich, heißt es aus der Regierung, würde die Entlastung durch die Steuerrefo­rm ja bis 2018 reichen . . .

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