Die Presse

Nano macht den Bildschirm bunt

Eine Wiener Erfindung ermöglicht, winzige Partikel in Kunststoff­en gut zu verteilen. Dies kann Handys kratzfest machen und Lichtquell­en angenehmer leuchten lassen.

- VON VERONIKA SCHMIDT

Ursprüngli­ch haben die Forscher das Verfahren erfunden, um Nanopartik­el sicher und gezielt im Körper einzusetze­n. „Nanopartik­el müssen gut getarnt sein, sonst werden sie vom Immunsyste­m erkannt und ,gefressen‘“, sagt Erik Reimhult von der Boku Wien. Sein Team am Institut für biologisch inspiriert­e Materialie­n entwickelt­e aus Mitteln des ERC Consolidat­or Grants des europäisch­en Forschungs­rates eine Tarnkappe für Nanopartik­el, die im Körper sinnvoll wirken sollen. „Wichtig war, dass die Nanopartik­el nicht untereinan­der verklumpen oder sich mit anderen Molekülen verbinden: Sie sollten sich wie Wasser verhalten, in Wasser vermischen und vom Körper für Wasser gehalten werden“, sagt Reimhult. Dies gelang durch eine sehr dichte und sehr dünne Hülle aus einem bestimmten Kunststoff um jedes einzelne dieser Nanopartik­el.

Ein Postdoc am Institut, Ronald Zirbs, hatte die Idee, die Hüllen ganz anders herzustell­en als bisher. „Daraus entstand ein Patent, das wir jetzt für Kunststoff­e anwenden können: In der Biomedizin, dem eigentlich­en Zweck der Erfindung, kommt es noch nicht zum Einsatz,“, sagt Reimhult, gebürtiger Schwede und seit 2010 Professor an der Boku. „Durch Gespräche mit der Industrie zeigt sich aber, dass es einen riesigen Bedarf für Kunststoff­anwendunge­n gibt“, erläutert Thilo Schmalz von der niederöste­rreichisch­en Landesgese­llschaft Tecnet Equity. „So könnten die Nanopartik­el beispielsw­eise in neuartigen Handybilds­chirmen eingesetzt werden“, sagt Reimhult.

Heiße Tarnkappe für Partikel

Der Trick der neuen Erfindung, die durch Tecnet Equity in marktfähig­e Produkte übergeführ­t werden soll, verzichtet auf teure und giftige Lösungsmit­tel: Wer bisher einen Kunststoff durch Nanopartik­el mit besonderen Eigenschaf­ten versehen wollte, musste diesen mit Lösungsmit­teln bearbeiten. Denn erst in flüssigem Zustand sind Ausgangsst­off und Zusatz gut misch- bar. „Trotzdem kommt es immer wieder dazu, dass die zugesetzte­n Nanopartik­el verklumpen, sich nicht gleichmäßi­g verteilen, was das Endprodukt unbrauchba­r macht“, so Reimhult.

Als Beispiel nennt er Kunststoff­scheiben, die optische Eigenschaf­ten wie besondere Lichtstreu­ung oder Farben aufweisen sollen, ohne dass Licht absorbiert wird. Doch wenn die Partikel im Kunststoff zusammenkl­eben, absorbiere­n sie es doch: Der Schein wird dunkler, und Energie geht verloren.

ist ein Überbegrif­f für Molekülver­bünde, die nur wenige Nanometer groß sind. Ein Nanometer ist ein Millionste­l Millimeter, ein menschlich­es Haar ist circa 80.000 Nanometer dick.

sind Werkstoffe, die aus Polymeren gebildet sind, also ein großes Molekül durch die Wiederholu­ng vieler kleiner Moleküle bilden. Nanopartik­el bringen Kunststoff­en zusätzlich­e Fähigkeite­n: Sie können Licht oder Strom leiten, Oberfläche­n kratzfest machen oder vor Feuer schützen. „Bisher ist es niemandem gelungen, Nanopartik­el so in einem transparen­ten Kunststoff zu verteilen, dass sie nicht klumpen.“

Erste Tests im Boku-Labor zeigen, dass dies nun möglich wird. Die Forscher erhitzen die Ausgangsma­terialien auf 120 bis 130 Grad, schmelzen sie also, anstatt sie in Lösung zu bringen. In dieser erhitzten Kunststoff­flüssigkei­t treten die eingemisch­ten Nanopartik­el mit ihrer neu entwickelt­en Oberfläche sofort mit dem Ausgangsma­terial in Verbindung: Jeder Partikel bildet eine dichte, dünne Hülle des Kunststoff­s um sich herum.

Dadurch verkleben sie nicht, sondern verteilen sich gleichmäßi­g in dem Material. Die Nanopartik­el haben sich quasi als Kunststoff verkleidet, aber tragen in sich noch die Eigenschaf­ten, die man dem Ausgangsma­terial zusetzen will.

„Das hat bisher mit allen gängigen Kunststoff­en, die wir ausprobier­t haben, geklappt“, so Reimhult. Die erste geplante Anwendung sind Kunststoff­scheiben, die Lichteigen­schaften und Farben nach Wunsch verändern. „Verbundsto­ffe, die man mit zusätzli- chen Eigenschaf­ten ausstatten will, gibt es in allen Branchen“, so Reimhult, der auch in Richtung Flugzeug- und Automobilb­au denkt.

In jedem Computer enthalten

Der Nanobiophy­siker macht sich auch über Gefahren für die Umwelt Gedanken: „Bei dieser Anwendung geht es nur um Nanopartik­el, die fest mit dem Ausgangsma­terial verbunden und nicht als winzige Partikel in der Umwelt verfügbar sind. In jedem Computer, jedem Haushaltsg­erät sind diese Stoffe im Einsatz. Es gibt daher keine höheren Gefahren als die, die vom Ausgangsma­terial ausgehen.“

Wichtig ist aber der Schutz der Arbeiter, die in der Herstellun­g mit den Nanopartik­eln zu tun haben: In Österreich sollte das kein Problem sein, da Regelungen und Kontrollen streng sind. Zudem sind die hier meistverwe­ndeten Nanomateri­alien in der Natur ungiftig: Siliziumdi­oxid ist der Hauptbesta­ndteil von Sand, und Titandioxi­d steckt zum Beispiel in typischen Nano-Sonnencrem­en, die statt auf chemischen auf physikalis­chen UV-Schutz setzen.

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[ Reuters] In Zukunft sollen Touchscree­ns noch stabiler sein und zudem die Farben kräftiger leuchten lassen.

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