Die Presse

Im Filmblut waten in Wallandert­own

Schweden. In seinen Krimis hat Henning Mankell Kommissar Wallander und mit ihm Ystad berühmt gemacht. Die südschwedi­sche Stadt, „Hauptstadt des Verbrechen­s“, bietet Besuchern Touren auf den Spuren des Kommissars an.

- VON RASSO KNOLLER Ystads turistbyra,˚ Sankt Knuts torg, www.ystad.se Website, die zu fast allen wichtigen Schauplätz­en führt: www.wallander.ystad.se/de

Im verschlafe­nen 18.000-Einwohner-Städtchen Ystad sind so viele Mörder unterwegs wie nirgendwo sonst in Schweden. Junge Frauen werden in den Dünen erdrosselt, alte Männer von Holzstange­n durchbohrt und gemetzelt. In den Büchern von Henning Mankell, dem schwedisch­en Romanschri­ftsteller, der im Oktober des Vorjahres im Alter von 67 Jahren gestorben ist, kämpft Kommissar Wallander einen schweren Kampf gegen das Verbrechen. Zwar bringt er Mörder und Vergewalti­ger gleich reihenweis­e zur Strecke. Doch endgültig besiegen kann er das Böse nicht.

Viele Wallander-Fans begnügen sich schon lang nicht mehr mit der Lektüre der Bücher. Sie pilgern an den Ort des mörderisch­en Geschehens und bescheren Ystad damit ständig steigende Besucherza­hlen. Als „die kleine Stadt am Meer ganz im Süden von Schweden“hatte August Strindberg Ystad in der südschwedi­schen Provinz Skane˚ (Schonen) beschriebe­n.

Und tatsächlic­h ist Ystad eine pittoreske Kleinstadt mit malerische­n Fachwerkhä­usern aus Ziegeln, Gebäuden und Kirchen aus Backstein und einem Franziskan­erkloster aus dem 13. Jahrhunder­t. Und mit langen feinsandig­en Stränden, von denen Badestege ins Meer hinausreic­hen. Die Tourismusb­ranche hat schon früh, in den Neunzigerj­ahren, den Kom- missar in ihren Dienst genommen und bewirbt Ystad als „Wallandert­own“.

Die größte Sehenswürd­igkeit des Ortes ist das Wallander-Filmstudio, eine ehemalige BacksteinK­aserne am Stadtrand. Die Führung durch die Studios beginnt an einem ausgebrann­ten Wohnwagen. In dem mussten in „Tod in den Sternen“gleich mehrere Menschen ihr Leben lassen. Daneben steht ein zerschunde­nes Autowrack. Auch an dessen zerfledder­ten Sitzen klebt Filmblut. Das Highlight der Führung ist aber weniger schaurig. Es ist ein einfacher Schreibtis­ch, hinter dem normalerwe­ise Kommissar Wallander Platz nimmt. Hier stockt die Führung ein wenig, denn jeder Besucher will sich genau hier fotografie­ren lassen oder schießt ein Selfie.

Wallanders Wohnung

In der riesigen Halle, in der einst Luftabwehr­geschütze und andere große Waffen lagerten, ist aber nicht nur für Wallanders Büro Platz. Auch die Gerichtsme­dizin und der große Konferenzs­aal der Polizei sind hier untergebra­cht.

Und Wallanders Wohnung auch. Die liegt nur zehn Meter neben dem Büro und ist der zweite Höhepunkt der Führung – leicht zerschliss­ene, aber gediegene Möbel, ein Fernsehapp­arat, ausgebleic­hte Gardinen vor den Fenstern und an der Wand ein großes Bücherrega­l. Die Dame, die durch das Studio führt, erklärt und er- klärt, doch dann beginnt ein junges Mädchen, das an der Tour teilnimmt, zu murren. Wie jeder echte Fan kennt sie alle Details aus den Büchern und hat in der Studiodeko­ration einen Fehler ausgemacht. „Im Buch wohnt Wallander in keinem Eckhaus“, bemerkt sie und moniert die beiden über Eck liegenden Fenster. Das muss auch die Führerin einräumen. Sie gibt zu, dass die Buchvorlag­e nicht in jedem Fall eins zu eins umgesetzt wurde.

Für die Außenaufna­hmen des Films zog Wallander sogar um. Im Roman wohnt er im Erdgeschoß in der Mariagata 10, für den Film musste er auf die andere Straßen- seite ins Haus 13c wechseln. Seine „Buchwohnun­g“liegt nämlich in einem Neubau, und das gefiel dem Regisseur nicht.

Wo das Böse lauert

Geführte Stadtspazi­ergänge auf der Spur der Mörder gehören zum touristisc­hen Standardpr­ogramm in Ystad. Da kommt man dann auch in der Liregata vorbei, einer kleinen Straße mit bunten Fachwerkhä­usern, wie es sie überall in Schweden gibt. Und doch lauert in diesem Idyll das absolut Böse. Hier wohnte Yvonne Ander, die sadistisch­e Serienmörd­erin aus „Die fünfte Frau“. Auch in der Sjömansgat­a ist keiner sicher. Die Straße liegt in einer feinen Gegend mit Häusern aus dem 19. Jahrhunder­t. Der richtige Ort, um eine Anwaltskan­zlei zu eröffnen. Gustaf und Sten Torstensso­n taten genau das – und beide überlebten den „Mann, der lächelte“nicht.

Nahezu jede Straße dieser scheinbar so friedliche­n Stadt hat ihren Mord gesehen. Sogar die Polizei hatte schon Opfer zu beklagen: In der Lilla Norregata wurde Wallanders sympathisc­her Kollege Svedberg mit zwei Schüssen niedergest­reckt. Dorthin führt auch die Tour der Freiwillig­en Feuerwehr, die ebenfalls in Sachen Wallander unterwegs ist. Sie bessert ihr Budget auf, indem sie die Krimifans in einem blutroten alten Feuerwehra­uto zu den Mordschaup­lätzen karrt. Selbst das Fremdenver­kehrsamt ist zur Hälfte Souvenirsh­op in Sachen Wallander. Hier bekommt der Fan Broschüren, die ihn auf den rechten Weg, sprich die Spuren des Kommissars bringen.

 ?? [ R. Knoller] ?? Kommissar Kurt Wallanders Lieblingsk­onditorei Fridolfs.
[ R. Knoller] Kommissar Kurt Wallanders Lieblingsk­onditorei Fridolfs.

Newspapers in German

Newspapers from Austria