Des Richters Stimme
Höchstgericht. Bei Urteilen sollen Stimmverhältnisse und Gegenargumente publik werden, meint SP-Justizsprecher Jarolim. Die Aufhebung der Bundespräsidentenwahl sei „keine Sternstunde“.
V erfassungsrichter sollen ihre eigene Meinung veröffentlichen, wenn das mehrheitlich gefällte Erkenntnis des Gerichts nicht ihrer Ansicht entspricht. Das fordert SPÖ-Mandatar Hannes Jarolim.
Das hätte den Vorteil, dass auch die Gegner eines Urteils ihre richterliche Meinung kundtun könnten. Und dass das Abstimmungsverhältnis klar wäre. Doch bei heiklen Fragen birgt das mehr Schaden als Nutzen. Populisten könnten ein Urteil infrage stellen, weil es „nur knapp“gefällt wurde. Und jene Richter angreifen, die „falsch“abstimmten. Man denke nur daran, wie strittig die Aufhebung der Hof- burg-Wahl und die Kärntner Ortstafel-Urteile waren. Dazu kommt, dass VfGHRichter de facto über ein Parteiticket ernannt werden. Problematisch genug, doch soll die Partei nicht auch noch kontrollieren können, wie jemand abstimmt. Zumal die Politik ja noch entscheidet, wer von den Richtern einmal VfGH-Präsident wird.
Besser ist, der VfGH diskutiert intern hart, spricht aber nach außen mit einer Stimme. Und ein Erkenntnis inhaltlich kritisieren – das können Juristen abseits des Gerichts auch.
Wien. Die Aufhebung der HofburgWahl birgt nicht nur Anlass, über Wahlrechtsreformen zu diskutieren. Sondern auch darüber, inwieweit das Stimmverhalten der Verfassungsrichter künftig öffentlich gemacht werden soll. So fordert SPÖJustizsprecher Hannes Jarolim, die sogenannte „dissenting opinion“am Verfassungsgerichtshof (VfGH) einzuführen. Richter, die sich nicht dem Mehrheitsentscheid anschließen, sollen im Zuge des Gerichtsentscheids auch ihre eigene Meinung publizieren dürfen. Dadurch würde auch klar werden, wie eindeutig eine Entscheidung des Gerichts gefallen ist.
Das Erkenntnis zur HofburgWahl sieht Jarolim „nicht als Sternstunde des Gerichtshofes“. Gerade in diesem Fall wäre es wichtig zu wissen, ob alle VfGH-Mitglieder einig waren oder ob sich einige gegen die Aufhebung stellten, sagte der SPÖ-Mandatar. Zumindest das Abstimmungsergebnis zu verraten, wäre für Jarolim ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. Vielmehr sollen Richter auch wissenschaftlich begründen, warum sie sie sich der Mehrheitsmeinung des Gerichtshofs nicht anschließen.
Das Modell der „dissenting opinion“ist vor allem im anglo-amerikanischen Rechtsraum verbreitet. Aber auch am deutschen Bundesverfassungsgericht können Richter ihr Minderheitsvotum festhalten. Der österreichische Verfassungsgerichtshof war Sondervoten gegenüber bisher eher skeptisch eingestellt, weil man um Einflüsse auf die richterliche Unabhängigkeit fürchtete. „Ein Richter ist im Kollegium unabhängiger als als Einzelperson“, hatte etwa der frühere VfGH-Präsident Karl Korinek erklärt. Auch der jetzige VfGH-Präsident, Gerhart Holzinger, gilt nicht als Freund der „dissenting opinion“.
Politisch seit Langem umstritten
Politisch wurde das Thema in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder von der SPÖ forciert. Die ÖVP konnte sich aber bisher nicht für die „dissenting opinion“erwärmen. Das dritte Lager war einst auch dagegen, machte aber im Zuge der Ortstafel-Erkenntnisse einen Schwenk. „Mich und die Kärntner Öffentlichkeit würde schon interessieren, welcher der Höchstrichter mit welcher Begründung gegen die Urteilsbildung in der Ortstafelfrage gestimmt hat“, hatte etwa Jörg Haider 2006 erklärt. Eine Veröffentlichung der „dissenting opinion“würde auch die Gefahr von politischen Urteilen mindern, meinte Haider damals.
Jarolim hofft auf einen Meinungsumschwung im VfGH, wenn Holzinger nächstes Jahr aus Altersgründen als Präsident abtreten muss. Der SPÖ-Mandatar ortet am VfGH einen „selbst umgehängten
AUF EINEN BLICK
Der Verfassungsgerichtshof fällt seine Erkenntnisse per Mehrheitsentscheidung. Die Meinung der unterlegenen Richter wird ebenso nicht publik wie das genaue Abstimmungsverhältnis. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim will das ändern: Er fordert die sogenannte „dissenting opinion“, wie es sie vor allem im anglo-amerikanischen Rechtsraum gibt. Die Aufhebung der Hofburg-Wahl ist für Jarolim „keine Sternstunde“des VfGH. Maulkorb“. Dieser entspringe einer „Biedermeier-Einstellung“, die sich überlebt habe.
Das VfGH-Erkenntnis zur Hofburg-Wahl hat laut Jarolim „Besorgnis und Nachdenklichkeit in informierten Kreisen“ausgelöst. Umstritten ist das Urteil vor allem deswegen, weil der VfGH die Wahl aufhob, obwohl es keinen Beweis für Manipulationen gab. Die Richter ließen es mit Verweis auf ihre bisherige Rechtsprechung genügen, dass die Manipulation wegen Verletzung von Wahlvorschriften möglich gewesen wäre.
Ministerium spart am Wahltag
Die Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen wird am 2. Oktober wiederholt. Das Innenministerium verzichtet, wie die „Kleine Zeitung“berichtet, diesmal darauf, die Redoutensäle anzumieten. Diese sind zuletzt als Wahlzentrale und Pressezentrum genutzt worden. Minister Wolfgang Sobotka will das Wahlergebnis diesmal auch nicht am Sonntag, sondern erst am Montag verkünden – samt Wahlkarten.