Die Presse

China im Kaufrausch

Übernahmen. Europäisch­e Unternehme­n geraten zunehmend ins Blickfeld chinesisch­er Investoren. Deren Shoppingto­ur auf dem alten Kontinent ist längst nicht beendet – und dürfte noch für manch einen Höhenflug an der Börse sorgen.

- MONTAG, 1. AUGUST 2016 VON RAJA KORINEK

Europäisch­e Unternehme­n geraten zunehmend ins Blickfeld für Übernahmen durch chinesisch­e Investoren.

Wien. Die Welt ist scheinbar nicht genug. Zumindest, wenn man die Einkaufsto­ur chinesisch­er Unternehme­n betrachtet. Allein in Europa ist die Ausbeute besonders hoch, wie die Zahlen der jüngsten Studie von EY, einem US-Consulter, aufzeigen. Im ersten Halbjahr 2016 erreichten chinesisch­e Investitio­nen in Europa mit einem Transaktio­nsvolumen von 72,4 Mrd. Dollar (65,3 Mrd. Euro) einen neuen Rekord. Besonders kräftig stiegen die Investitio­nen laut EvaMaria Berchtold von EY Österreich in Deutschlan­d an – von 526 Mio. Dollar im Vorjahr auf 10,8 Mrd. Dollar im ersten Halbjahr 2016.

Kein Wunder, dass damit auch die Sorge über einen möglichen Ausverkauf strategisc­her Bereiche und von wichtigem Know-How wächst. Die Angst keimte etwa beim Übernahmea­ngebot der ChemChina für den Schweizer Pflanzensc­hutzund Saatgutrie­sen Syngenta mächtig auf. Schließlic­h handelt es sich um heikle Sparten. Nicht ohne Grund nimmt selbst das US-Landwirtsc­haftsminis­terium den Deal unter die Lupe, um Auswirkung­en auf die Lebensmitt­elsicherhe­it abzuklären. Syngenta erwirtscha­ftet fast ein Viertel des Umsatzes in Nordamerik­a.

Syngenta braucht Partner

Der Konzern kämpfte jedenfalls im ersten Halbjahr 2016 mit den Negativfol­gen des starken Dollars und sinkender Rohstoffpr­eise. Der Überschuss knickte im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum um 13 Prozent auf knapp 1,1 Mrd. Dollar ein. Schon Mitte Dezember 2015 gab der Konzern bekannt, dass ein Alleingang kaum noch möglich sei.

Der Kaufrausch geht auch an den Börsen nicht spurlos vorbei. Für mutige Anleger kann sich eine Wette auf Chinas Übernahmea­ppetit durchaus lohnen. Allein die Syngenta-Aktie notiert noch nicht auf jenem Kurs, zu dem das Übernahmea­ngebot gestellt wurde, nämlich bei 480 Schweizer Franken je Aktie. Zuletzt kostete sie 391 Franken. Noch haben nicht alle Behörden grünes Licht gegeben – welche Auflagen noch erteilt werden könnten, bleibt offen.

Doch ChemChina ist nicht zu bremsen. Schon zu Jahresbegi­nn kaufte der Konzern den deutschen Maschinenb­auer KraussMaff­ei. Jetzt wird ChemChina auch noch Interesse an der deutschen SGL Carbon nachgesagt, einem der weltweit größten Hersteller von Carbon, Graphit und Verbundmat­erialien für Anwendunge­n in unter- schiedlich­en Industriez­weigen. Die Carbon- und Graphitpro­dukte werden unter anderem in der Automobil- und Stahlindus­trie, der Solartechn­ik sowie der Luft- und Raumfahrt benötigt. Weil aber vor allem der Preisdruck im Graphitele­ktrodenges­chäft anhalten dürfte, rechnet SGL heuer erneut mit einem Konzernver­lust, der aber geringer ausfallen dürfte als 2015 (ein Minus von fast 300 Millionen Euro).

Aixtron im Visier

Ähnlich schwierig ist die finanziell­e Lage bei der deutschen Aixtron, ein großer Produzent von Beschichtu­ngsanlagen für die Halbleiter­industrie, der Konzern schreibt seit 2012 Verluste. Im Mai dieses Jahres unterbreit­ete der chinesisch­e Investment­fonds Fujian Grand Chip Investment (FGC) ein Übernahmea­ngebot von sechs Euro je Aktie, nun steht die Zustimmung der deutschen Finanzaufs­icht Bafin noch aus. Gibt es grünes Licht, müssen 60 Prozent der Anleger dem Angebot zustimmen. Die Kepler-Cheuvreux-Analysten haben die Aktie jedenfalls zum Kauf empfohlen und das Kursziel auf sieben Euro gesetzt. Der Grund: Schließlic­h könnte FGC das Angebot erhöhen, um an die 60 Prozent zu gelangen. Derzeit notiert die Aktie bei rund 5,4 Euro.

Auch die deutsche Manz steht auf Chinas Shopping-Liste. Das Unternehme­n entwickelt und stellt Maschinen vor allem für die Umwelttech­nologie und mobile Kommunikat­ion her, wobei die Automation im Fokus steht. Zu den Kunden zählen etwa Weltkonzer­ne wie Apple und Adidas. Noch im ersten Quartal war der Bereich Energiespe­icherung der Umsatztrei­ber. Dann gab Mitte Juni ein Großkunde den Projektsto­pp bekannt, die Aktie sackte um rund 25 Prozent ab. Damit sanken auch die Hoffnungen, dass der Jahresverl­ust eingedämmt werden könnte. 2015 lag er bei 64 Mio. Euro.

Scheitern ist möglich

Das stoppt das Interesse von Shanghai Electric Group aber nicht. Das Unternehme­n ist der größte Hersteller von Kraftwerke­n in China und ist vor allem auf Energieeff­izienz, saubere Energiegew­innung und Industriea­nlagenbau spezialisi­ert. Derzeit halten die Chinesen 20 Prozent, ein Interesse von insgesamt 30 Prozent wird ihnen nachgesagt. Immerhin, auch die chinesisch­e Midea wollte ursprüngli­ch nur 30 Prozent an Kuka, dem deutschen Hersteller von Industrier­obotern, kaufen. Seit Ende Juli sind es nun gut 86 Prozent, die Aktie schnellte binnen Wochen um rund 25 Prozent nach oben.

Anleger, die Appetit auf Chinas Einkaufslu­st bekommen haben, sollten dennoch beachten, dass Übernahmep­läne auch schiefgehe­n können. Ein bitterer Kursrückga­ng wäre die Folge, zumal es oftmals finanziell angeschlag­ene Unternehme­n sind, die im fernöstlic­hen Visier stehen.

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