Die Presse

„Rechte nach außen tragen“

Alpbacher Rechtsgesp­räche. Strafrecht­sexperte Soyer will ausloten, wie man Europas Menschenre­chte in den Rest der Welt bringen kann.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Wien. Beim Europäisch­en Forum Alpbach darf man träumen, man muss aber nicht. Bei den diesjährig­en Rechtsgesp­rächen, die von 28. bis 30. August in dem Tiroler Bergdorf Alpbach stattfinde­n, beschäftig­t sich eine der Diskussion­en mit der Frage, ob Europa die Wirkung seiner Rechtstrad­itionen über den eigenen Kontinent hinaus erweitern kann. „Wenn Europa global irgendwo mitspielen kann, dann nicht als Wirtschaft­s- oder Militärmac­ht, sondern mit seinen Rechtstrad­itionen“, sagt Richard Soyer, Strafverte­idiger, Professor für Strafrecht an der Johannes-Kepler-Universitä­t (JKU) in Linz und mitverantw­ortlich für die Planung der Rechtsgesp­räche. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir die Bodenhaftu­ng nicht verlieren“, sagt Soyer zur „Presse“.

Ob „Blutdiaman­ten“in Sierra Leone, Kinderarbe­it in Burkina Faso oder ein grob fahrlässig verursacht­er Fabriksein­sturz in Bangladesh: Solche Beispiele stehen für Menschenre­chtsverlet­zungen, die mitunter im wirtschaft­lichen Interesse global agierender Unternehme­n begangen werden, durchaus auch solcher mit Sitz in der EU. „In Österreich kommt man zur inländisch­en Strafgewal­t, wenn Unternehme­n hier ihren Sitz haben und die Entscheidu­ngsträger von Österreich agieren“, so Soyer. „Aber in Deutschlan­d ist das schon viel schwierige­r.“

Es ist kein Zufall, dass der Keynote-Speaker bei dem von Soyer konzipiert­en Roundtable „Menschenre­chte und Unternehme­nsstrafrec­ht – eine europäisch­e Herausford­erung“kein Österreich­er ist, sondern der Deutsche Michael Kubiciel von der Universitä­t Köln. Kubiciel vertritt die These, dass Deutschlan­d ein moderneres Unternehme­nsstrafrec­ht benötigt; obwohl es seiner Ansicht nach verschärft gehört, soll es – scheinbar paradoxerw­eise – Wettbewerb­snachteile für deutsche Unternehme­n auszugleic­hen helfen: Es sollte nämlich niemand Vorteile daraus ziehen, dass er in Drittstaat­en unter Missachtun­g der Menschenre­chte produziere­n lässt, während in unseren Breiten Unternehme­n wegen kleiner Ordnungswi­drigkeiten schikanier­t werden.

In der Diskussion an der Schnittste­lle von Recht und Politik will Soyer an das Beispiel der USA erinnern, die nicht zögern, ihre gerichtlic­he Zuständigk­eit weit über das eigene Territoriu­m zu erstrecken: „Wenn internatio­nal agierende Unternehme­n in Ostasien strafrecht­liche Probleme haben und an der New Yorker Börse notieren, dann wird die Zuständigk­eit der US-Gerichte bejaht.“

Stärkerer Fokus auf Rechtspoli­tik

Daher solle auch Europa dort, wo es Ressourcen und Know-how habe, seine Wirkmacht zu erweitern versuchen: nämlich auf dem Gebiet der Menschenre­chte. Auf diese Weise könnte Europa den Entwicklun­gen der Globalisie­rung Paroli bieten, meint Soyer. Er möchte den Alpbacher Rechtsgesp­rächen stärkere rechtspoli­tische Konturen geben und hat ein Dutzend Anwälte aus (auch) internatio­nal tätigen Kanzleien zum Roundtable eingeladen: „Es geht darum, die Berufsgrup­pen zu integriere­n“, sagt Soyer. „Die internatio­nal agierenden Kanzleien sollen sich stärker an rechtspoli­tischen Diskursen beteiligen.“

 ?? ] AFP ] ?? Rechtliche Abhilfe gegen Kinderarbe­it gesucht.
] AFP ] Rechtliche Abhilfe gegen Kinderarbe­it gesucht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria