Die Presse

Wo ist es hip im Sommer 2016? Egal: Wir schaffen das schon!

Shakespear­es „Richard III.“und das politische Weltklima: Die Liste der sicheren Ferienziel­e wird immer kürzer.

- VON THOMAS CHORHERR Der Autor war langjährig­er Chefredakt­eur und Herausgebe­r der „Presse“. E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

D ieser Sommer hat es in sich. Im Juli wechselten Perioden schwüler Tropenhitz­e mit solchen der Eiseskälte – für Normaltemp­eraturempf­indliche jedenfalls. Man fühlte sich wieder im Literaturu­nterricht des Gymnasiums – oder an eine Aufführung von Shakespear­es „Richard III.“im Burgtheate­r erinnert: „Now is the winter of our discontent made glorious by the sun of York.“An der Burg hört man es auf Deutsch: „Nun ward der Winter unsers Missvergnü­gens glorreiche­r Sommer durch die Sonne Yorks.“

Der Sommer 2016 ist einer ganz eigener Art. Schwitzen wird durch Frösteln abgelöst und dann wieder durch Schweiß. Das fängt schon bei den Urlaubszie­len an. Wien scheint nach wie vor in zu sein, oder hip, wie es bei den Jungen heißt, auch bei den jungen Touristen. Wenn der Eindruck nicht täuscht, wird die heurige Urlaubssai­son einige Rekorde schlagen. Leider auch, was die Unwetter betrifft. Dass etliche Fremdenver­kehrsorte durch Blitz, Hagel und Flut verwüstet wurden, hat es in diesem Ausmaß noch selten gegeben. Das Wetter ähnelt dem politische­n Weltklima.

Aber es gibt kein Balkonien auf der Erde. Die Reisebüros, gefragt, wo man außerhalb Österreich­s heute noch halbwegs sicher seine Ferien verbringen könne, antworten mit Achselzuck­en. Die beliebtest­en Tourismusz­entren von ehedem locken mit leeren Stränden, weil der Aufenthalt dort gefährlich wurde.

Afrika können wir streichen. Der Norden des Kontinents ist unruhig, auch Tunesien ist nicht mehr das, was es einmal war. Ägypten, einst eines der beliebtest­en Ferienländ­er, kann man zu Schnäppche­npreisen buchen. Nilkreuzfa­hrten sind kaum mehr gefragt. Kenia war eine der gesuchtest­en Destinatio­nen, ist es aber heute nicht mehr. Der Rest des Kontinents ist für Abenteuerl­ustige interessan­t, für Erholungss­uchende kaum. A ber wir schaffen das schon, nicht wahr, Frau Merkel? Wir fahren nach Griechenla­nd und klammern allfällige Flüchtling­sinseln aus. Dafür unterstütz­en wir finanziell die notleidend­e hellenisch­e Wirtschaft. Wir stehen, wenn es notwendig ist, stundenlan­g an der italienisc­hen Grenze, vor allem in der Hauptreise­zeit. Wir freuen uns, dass es den Franzosen so gut geht, dass der Friseur des Staatspräs­identen 10.000 Euro monatlich kassieren darf. Aber dafür muss er dauernd parat stehen. Vielleicht, um Hollandes Grauhaar zu färben? Der Massenmord in Nizza bleibt lang in Erinnerung.

Doch da ist noch immer der Osten der EU. Zumindest vorläufig liegt in touristisc­her Hinsicht nichts vor, was etwaige Ferienverg­nügungen hindern könnten. Es sei denn, man wundert sich über die jüngsten militärisc­hen Schritte der Nato, die jetzt auch das Baltikum unter ihren Schutzschi­rm bringt.

Das Heiß-kalt-Klima dieses Sommers hat ja auch die Ost-WestBezieh­ungen erfasst. Nein, von einem neuen Kalten Krieg darf man um Gottes willen nicht reden. Aber es gibt immer mehr Beobachter in Europa, die kein Verständni­s dafür aufbringen, dass Washington nach wie vor tiefes Misstrauen gegenüber Moskau hegt. Der Staatsbesu­ch, den Bundespräs­ident Fischer im Kreml abstattete, ist demnach vom Westen nicht begrüßt worden. Aber jetzt hat London ja eine neue Ministerpr­äsidentin – eine Pastorento­chter wie Angela Merkel. Sie hat einen Politiker, der verschrien ist wie Donald Trump, ausgerechn­et zum Außenminis­ter gemacht. Es kann uns daher nichts mehr passieren. Kopf hoch, Wien!

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria