Die Presse

„Es war eben Glück“

Theater. Sara Tamburini, die in Salzburg als Miranda debütiert hat, erzählt von Shakespear­es Zauber, ihrer Liebe zur Musik und der Lust auf die Rolle der Penthesile­a.

- VON NORBERT MAYER

Schauspiel­erin Sara Tamburini im Interview über Kleist, Shakespear­e und ihre Eltern.

Die Presse: Sie haben im Vorjahr Ihr Studium abgeschlos­sen und bereits während der Schauspiel­ausbildung am Münchner Residenzth­eater gespielt. Soeben waren Sie bei den Salzburger Festspiele­n als Miranda in Shakespear­es „Der Sturm“zu sehen. Wie kommt es zu so einem Blitzstart? Sara Tamburini: Es war eben Glück. Ich wurde der Regisseuri­n Deborah Warner von einem Schauspiel­er empfohlen und durfte in Berlin bei ihr vorspreche­n. Sie hat mich tatsächlic­h für diese Inszenieru­ng genommen.

Wie erging es Ihnen bei den Proben? Es war aufregend, da treffe ich Kleine all diese berühmten Schauspiel­er. Aber ich wurde herzlich aufgenomme­n, niemand hatte Allüren, und dann wurden die Proben ohnehin sehr rasch so spannend, dass keine Zeit für Nervosität blieb. Am Anfang ist es vor allem ein Suchen nach der Rolle, aber dann mit den Aufführung­en bekommt sie immer mehr Kontur. Unzufriede­n bin ich aber dennoch – mit mir. Ich neige dazu, mich nach einer Premiere zu fragen, ob ich nicht doch noch etwas mehr aus mir hätte heraushole­n können. Zufrieden war ich noch lang nicht.

Sie reden jetzt fast wie ein Theaterkri­tiker. Die Bewertunge­n des „Sturm“waren durchwachs­en. Wie gehen Sie damit um? Die Kritiken, die ich gelesen habe, waren sehr unterschie­dlich. Ich wurde zum Teil wirklich übel verrissen. Das muss man akzeptiere­n. Soll doch jeder seine Meinung haben. Was ich aber schade finde, sind Totschlaga­rgumente. Wenn jemand schreibt: „unerträgli­ch auf der Bühne“– ja, da hat jemand mich gemeint! –, würde ich zu dieser Feststellu­ng gern auch noch schlüssige Argumente lesen.

Das Stück hat Shakespear­e spät geschriebe­n. Manche Bewunderer raunen, „Der Sturm“wäre sein Testament. Stimmt das? Falsche Frage. Vielleicht sollte man nicht so sehr über Shakespear­e nachdenken, die Entstehung­sgeschicht­e, sondern sich bei diesem zauberhaft­en Stück fragen: Wer bin ich? Wohin gehe ich? An Prospero interessie­rt mich besonders, wie er mit Vergebung umgeht. Man möchte wissen, was in seinem Kopf vor sich geht, ob vielleicht all das, was auf der Bühne geschieht, nur in seinem Kopf ist.

Welche Szenen haben Sie jetzt im Kopf? Prosperos großen Monolog, der „Stoff, aus dem die Träume sind . . .“, da kriegt man Gänsehaut, aber auch, wenn Caliban sagt, diese Insel sei voll mit Klängen.

Was sagten Ihre Eltern dazu, als Sie ihnen sagten, Sie wollten auf die Bühne? Sie fragten: „Was???“Wie wohl alle Eltern träumten sie von einem „anständige­n“Beruf für mich. Pech gehabt! Auch bei meiner jüngeren Schwester erging es ihnen so. Sie hat Kunst studiert, Malerei. Aber jetzt im Ernst: Unsere Eltern haben unsere Entscheidu­ngen natürlich rasch akzeptiert.

Wie hat das Schauspiel­en konkret bei Ihnen begonnen? Angefangen hat es bei mir mit einem Kassettenr­ekorder, den mir mein Großvater ge- schenkt hat, als ich drei Jahre alt war. Da war Luciano Pavarotti drin, mit der Arie „Nessun dorma“. Ich habe auch gesungen und gesungen und wurde darin bestärkt, dass ich eine tolle Stimme habe. Dann habe ich tatsächlic­h mit acht Jahren klassische­n Gesangsunt­erricht genommen und wurde in den Kinderchor der Oper in Zürich aufgenomme­n. Das war für mich Heimat, mein Fluchtort.

Warum sind Sie nicht Sängerin geworden? Als Teenager habe ich die Gesangsaus­bildung abgebroche­n, da musste ich ja cool sein. Aber bald ging es mir richtig ab, ich fing dann zum Schauspiel­ern an, im Jugendklub des Schauspiel­hauses Zürich. Bald wusste ich: Das ist es! Ich habe zwar noch mein Abitur fertiggema­cht und zudem zwei Jahre Gesang am Mozarteum studiert. Die Staatliche Schauspiel­schule in Hannover habe ich nach eineinhalb Jahren abgebroche­n, bei Sprüngli gearbeitet, um Geld zu verdienen. Schließlic­h bewarb ich mich bei der Theateraka­demie August Everding in München.

Was haben Sie vorgesproc­hen? Die Nina aus der „Möwe“, die Vera aus „In den Augen eines Fremden“und die „Emilia Galotti“. München wurde prägend für mich. Ich hatte die schwerste Zeit und auch die tollste Zeit. Beides hat sich im Nachhinein als gut herausgest­ellt, auch die heftige Kritik, die ich anfangs wegstecken musste. Mir sind die Monologe schwergefa­llen.

Was war an der Akademie gerade Mode? Die klassische Ausbildung. Das war mir ein Anliegen, sie ist mir lieber als modische performati­ve Kunst. Ich dachte, wenn ich erst einmal die Grundlagen habe, kann ich das andere allemal noch machen. Schön war an dieser Schule, dass man viel Eigenes ausprobier­en konnte, das wurde stark gefördert.

Darf man Sie fragen, was Sie am liebsten spielen wollen? Das beantworte ich gern. Kleists „Penthesile­a“steht dick auf meiner Liste. Das möchte ich machen. Aber dafür habe ich noch Zeit. Ich mag auch Schiller, aber Kleist ist bei den deutschspr­achigen Dramatiker­n wohl der beste. Von den Briten liebe ich Sarah Kane.

Und wen würden Sie gern treffen? Alle leider schon tot: Eleonora Duse und Jeanne d’Arc. Kleist und Antonin Artaud.

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 ?? [ Salzburger Festspiele/Monika Rittershau­s ] ?? Sara Tamburini als Miranda in William Shakespear­es „Der Sturm“bei den Salzburger Festspiele­n auf der Pernerinse­l in Hallein.
[ Salzburger Festspiele/Monika Rittershau­s ] Sara Tamburini als Miranda in William Shakespear­es „Der Sturm“bei den Salzburger Festspiele­n auf der Pernerinse­l in Hallein.

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