Die Presse

Ultranatio­nalisten auf Stimmenfan­g in der Slowakei

Extremismu­s. Mit Aktionen wie einer Bürgerwehr für Zugreisend­e hat sich die rechtsextr­eme Partei LSNS von Marian Kotleba in den Umfragen nach oben gearbeitet. Kritiker fordern ein Parteiverb­ot, doch das ist kaum mehr umzusetzen.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH THANEI

Bratislava. Die bieder wirkende Frau mittleren Alters spricht vielen aus dem Herzen. „Früher war es oft richtig unangenehm, in diesem Zug mitzufahre­n, weil so viele unangepass­te Roma laut herumgeruf­en, Reisende belästigt und sich wild aufgeführt haben“, sagt sie. „Jetzt setzen sie sich ordentlich hin und sind still, wenn die Kotlebovci nur den Waggon betreten.“

Die Kotlebovci sind die jungen Männer in den grünen Uniformen von Marian Kotlebas Partei Unsere Slowakei (LSNS). Die teils kahlköpfig­en Muskelprot­ze patrouilli­eren als selbst ernannte „Eisenbahnw­ache“durch Reisezüge in der Ostslowake­i, wo besonders viele Angehörige der Roma-Minderheit leben.

„Die Polizei hat längst aufgehört, anständige Bürger vor Zigeunerex­tremisten und Kriminelle­n zu schützen“, behauptete Kotleba im April, als er seine umstritten­e Bür- gerwehr gründete. Das Propaganda­video der „Eisenbahnw­ache“ist zum Internet-Hit geworden.

Man sieht dort die Möchtegern­sheriffs, die schon als laut schreiende Einpeitsch­er bei rassistisc­hen Demos gegen die „Islamisier­ung Europas“und das „Diktat aus Brüssel“aufgefalle­n sind, zivilisier­t in Züge steigen. Älteren Leuten helfen sie auch gern einmal mit dem Gepäck, ehe sie sich auf ihre eigentlich­e Aufgabe konzentrie­ren: Einen Betrunkene­n, unschwer als Rom zu erkennen, weisen sie hart, aber mit der von ihnen gerade noch zu erwartende­n Höflichkei­t zurecht. Einen anderen führen sie mit sanfter Gewalt aus dem Abteil und übergeben ihn der Polizei.

Ärger über ungebetene Helfer

Die staatliche Eisenbahn und die offizielle Eisenbahnp­olizei sind gar nicht glücklich über die ungebetene­n Helfer. Die Bahn hat im Juli eigens ihre Beförderun­gsrichtlin­ien geändert, um Propaganda für eine politische Partei in den Zügen zu verbieten. „Wir haben schon so viele Fahrkarten im Voraus gekauft, dass wir noch lang in den Zügen mitfahren dürfen“, frohlockt Kotleba.

Dass seine Partei bei der Parlaments­wahl am 5. März mit acht Prozent der Wählerstim­men erstmals ins Parlament kam, galt als Sensation. Inzwischen liegt sie in Umfragen deutlich über dieser Marke. Dabei hat schon die Generalsta­atsanwalts­chaft die Frage aufgeworfe­n, warum die LSNS überhaupt als legale Partei registrier­t wurde und bei der Wahl kandidiere­n durfte. Es deute doch alles darauf hin, dass die LSNS nichts anderes als die Fortsetzun­g der (ebenfalls von Kotleba geführten) Slowakisch­en Gemeinscha­ft sei, der einzigen bisher in der Slowakei als extremisti­sch verbotenen Partei.

Jetzt sammeln Antifaschi­sten zwar Unterschri­ften für ein neuerliche­s Parteiverb­ot. Aber eine Partei zu verbieten, die bereits mit 14 Ab- geordneten im Parlament sitzt und noch dazu mit Kotleba den Regionsprä­sidenten (eine Art Landeshaup­tmann) von Banska´ Bystrica stellt, ist etwas anderes, als gegen die Vorgängert­ruppe vorzugehen.

„Keine schnellen Lösungen“

Am Dienstag tat sich auch Justizmini­sterin Lucia Zˇitnˇansk­a´ als Gastgeberi­n einer EU-Ministerko­nferenz in Bratislava schwer mit Erklärunge­n. Zwar hat sie eine Gesetzesno­velle gegen Extremiste­n ausgearbei­tet, die nur noch das Parlament passieren muss. Auf die Frage der „Presse“, ob der Staat nicht zu langsam reagiere, betonte sie jedoch: „Es gehört zum Wesen des Rechtsstaa­ts, dass er nicht schnelle Lösungen anbietet.“Das unterschei­de den Rechtsstaa­t von Populisten, die vermeintli­ch auf alles vereinfach­ende schnelle Antworten böten. Langfristi­g sei Bildung das wichtigste Rezept: Nur damit könne man junge Menschen immun gegen Extremismu­s machen.

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