Ultranationalisten auf Stimmenfang in der Slowakei
Extremismus. Mit Aktionen wie einer Bürgerwehr für Zugreisende hat sich die rechtsextreme Partei LSNS von Marian Kotleba in den Umfragen nach oben gearbeitet. Kritiker fordern ein Parteiverbot, doch das ist kaum mehr umzusetzen.
Bratislava. Die bieder wirkende Frau mittleren Alters spricht vielen aus dem Herzen. „Früher war es oft richtig unangenehm, in diesem Zug mitzufahren, weil so viele unangepasste Roma laut herumgerufen, Reisende belästigt und sich wild aufgeführt haben“, sagt sie. „Jetzt setzen sie sich ordentlich hin und sind still, wenn die Kotlebovci nur den Waggon betreten.“
Die Kotlebovci sind die jungen Männer in den grünen Uniformen von Marian Kotlebas Partei Unsere Slowakei (LSNS). Die teils kahlköpfigen Muskelprotze patrouillieren als selbst ernannte „Eisenbahnwache“durch Reisezüge in der Ostslowakei, wo besonders viele Angehörige der Roma-Minderheit leben.
„Die Polizei hat längst aufgehört, anständige Bürger vor Zigeunerextremisten und Kriminellen zu schützen“, behauptete Kotleba im April, als er seine umstrittene Bür- gerwehr gründete. Das Propagandavideo der „Eisenbahnwache“ist zum Internet-Hit geworden.
Man sieht dort die Möchtegernsheriffs, die schon als laut schreiende Einpeitscher bei rassistischen Demos gegen die „Islamisierung Europas“und das „Diktat aus Brüssel“aufgefallen sind, zivilisiert in Züge steigen. Älteren Leuten helfen sie auch gern einmal mit dem Gepäck, ehe sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren: Einen Betrunkenen, unschwer als Rom zu erkennen, weisen sie hart, aber mit der von ihnen gerade noch zu erwartenden Höflichkeit zurecht. Einen anderen führen sie mit sanfter Gewalt aus dem Abteil und übergeben ihn der Polizei.
Ärger über ungebetene Helfer
Die staatliche Eisenbahn und die offizielle Eisenbahnpolizei sind gar nicht glücklich über die ungebetenen Helfer. Die Bahn hat im Juli eigens ihre Beförderungsrichtlinien geändert, um Propaganda für eine politische Partei in den Zügen zu verbieten. „Wir haben schon so viele Fahrkarten im Voraus gekauft, dass wir noch lang in den Zügen mitfahren dürfen“, frohlockt Kotleba.
Dass seine Partei bei der Parlamentswahl am 5. März mit acht Prozent der Wählerstimmen erstmals ins Parlament kam, galt als Sensation. Inzwischen liegt sie in Umfragen deutlich über dieser Marke. Dabei hat schon die Generalstaatsanwaltschaft die Frage aufgeworfen, warum die LSNS überhaupt als legale Partei registriert wurde und bei der Wahl kandidieren durfte. Es deute doch alles darauf hin, dass die LSNS nichts anderes als die Fortsetzung der (ebenfalls von Kotleba geführten) Slowakischen Gemeinschaft sei, der einzigen bisher in der Slowakei als extremistisch verbotenen Partei.
Jetzt sammeln Antifaschisten zwar Unterschriften für ein neuerliches Parteiverbot. Aber eine Partei zu verbieten, die bereits mit 14 Ab- geordneten im Parlament sitzt und noch dazu mit Kotleba den Regionspräsidenten (eine Art Landeshauptmann) von Banska´ Bystrica stellt, ist etwas anderes, als gegen die Vorgängertruppe vorzugehen.
„Keine schnellen Lösungen“
Am Dienstag tat sich auch Justizministerin Lucia Zˇitnˇanska´ als Gastgeberin einer EU-Ministerkonferenz in Bratislava schwer mit Erklärungen. Zwar hat sie eine Gesetzesnovelle gegen Extremisten ausgearbeitet, die nur noch das Parlament passieren muss. Auf die Frage der „Presse“, ob der Staat nicht zu langsam reagiere, betonte sie jedoch: „Es gehört zum Wesen des Rechtsstaats, dass er nicht schnelle Lösungen anbietet.“Das unterscheide den Rechtsstaat von Populisten, die vermeintlich auf alles vereinfachende schnelle Antworten böten. Langfristig sei Bildung das wichtigste Rezept: Nur damit könne man junge Menschen immun gegen Extremismus machen.