Die Presse

Eine Fabrik experiment­iert in Aspern

Forschung. Wien will die Industrie zurück in die Stadt holen – darum werden in einer Pilotfabri­k zukunftswe­isende Produktion­smethoden erprobt. Ob diese Arbeitsplä­tze bringen, ist fraglich.

- VON ANNA THALHAMMER

Wien. Stadtentwi­cklungsgeb­iete sind immer auch Spielwiese­n. Etwa wenn es darum geht, neue besonders energieeff­iziente Bauweisen auszuprobi­eren – oder Formen des Zusammenle­bens wie Generation­enwohnen oder multikultu­relle Wohnhäuser. Auch der Wiener Ganztagess­chulcampus startete ursprüngli­ch als solches Experiment.

Neuerdings nutzt man Stadtentwi­cklungsgeb­iete auch dazu, moderne, platzspare­nde Produktion­smethoden zu erforschen – um in weiterer Folge damit die Industrie wieder in die Stadt zu locken. Zuletzt hatte Wien mit Abwanderun­g vor allem nach Niederöste­rreich zu kämpfen. Während in Aspern westlich der U-Bahn-Trasse Wohnhäuser entstehen, widmet sich die Großbauste­lle östlich der Schienen Unternehme­n, der Forschung und der Industrie.

Hier steht auch die Pilotfabri­k 4.0 – ein Projekt, das von der Technische­n Universitä­t mit der Wirtschaft­sagentur Wien und der 3420 Aspern Developmen­t AG betrieben wird. Zu den Projektpar­tnern zählen mehr als 20 Unternehme­n, darunter Siemens, BMW, Opel, Manner oder die OMV. Das Interesse der Industrie an der Pilotfabri­k ist groß, soll sie doch zukunftswe­isend sein, wie urbane Produktion­sverfahren künftig aussehen können. Denn das, was hier erforscht und entwickelt wird, soll später von Unternehme­n in ihre reguläre Produktion aufgenomme­n werden.

Versuchsre­ihen

Derzeit wird hier etwa an der Weiterentw­icklung eines 3-D-Druckers gearbeitet, der Unternehme­n die unkomplizi­erte Produktion von Einzelteil­en ermögliche­n soll. In einem anderen Raum werden Werkzeugma­schinen und Fertigungs­systeme optimiert.

Neben der Innovation­sschiene funktionie­rt die Pilotfabri­k auch als konkreter Fertigungs­betrieb, wo marktreife Prototypen produziert werden. Zuletzt wurde hier ein E-Bike mit einem besonders innovative­n Antrieb entwickelt – das Design kam von Studenten.

Seit einem Jahr gibt es die Pilotfabri­k – 2017 soll sie doppelt so groß werden. In einem weiteren Gebäude soll es Labors und Infrastruk­tur für Technologi­e wie Produktion­sstraßen geben.

„Die in Aspern angebotene Forschung soll zum Magnet für Unternehme­n werden, die daran interessie­rt sind“, sagt Gerhard Schuster, Vorstand der 3420 Aspern Developmen­t AG. Den internatio­nalen Betrieb Hörbiger, der Ventile produziert, hat man schon gewonnen. Ende Juni eröffnete der Konzern seinen neuen Standort, an dem 500 Mitarbeite­r beschäftig­t sind. Das Opel-Werk befindet sich mit 1600 Mitarbeite­rn in unmittelba­rer Nähe. Mit Wien Work gibt es ein gemeinnütz­iges Unternehme­n, das 600 Arbeitsplä­tze für Menschen bietet, die es auf dem ersten Arbeitsmar­kt schwer haben. Zwischen den großen Unternehme­n haben sich Start-ups angesiedel­t.

Jobs im Wandel

Wifo-Chef Karl Aiginger begleitete „Die Presse“beim Lokalaugen­schein durch Aspern: „Es ist wichtig, dass sich die urbane Industrie weiterentw­ickelt, um überlebens­fähig und internatio­nal konkurrenz­fähig zu sein. Denn wenn Industrie abwandert, dann geht auch die Forschung, das zeigen etliche Beispiele aus den USA.“Das hieße, man verliere Arbeitsplä­tze für Hochqualif­izierte – ein immenser Schaden für das Land. Derzeit werde in Österreich viel zu wenig an Innovation­en für die Industrie geforscht. „Wir sind höchstens Mittelmaß, das ist nicht genug.“

Dass viele Arbeitsplä­tze durch neue Produktion­smethoden entstehen können, sieht er nicht. „Diese Entwicklun­g heißt weniger Arbeitsplä­tze für schlecht Ausgebilde­te und ein paar mehr für gut Qualifizie­rte.“Dennoch glaubt er nicht, dass es durch neue Technologi­en weniger Arbeit geben werde: „Die Angst, dass die Arbeit weniger wird, ist jahrhunder­tealt. Ich sehe das derzeit aber nicht, die Arbeit verändert sich nur.“

Eine echte Steigerung der Zahl an Arbeitsplä­tzen könne aus seiner Sicht nur durch eine tief greifende Steuerrefo­rm erzielt werden: „Das Steuersyst­em ist dumm – in Österreich besonders. Denn auf jenem Faktor, den man fördern möchte – nämlich Arbeit –, sind die höchsten Steuern. Arbeit ist für einen Unternehme­r teuer. Man muss das umverteile­n. Etwa die Steuern für Emissionen stark erhöhen, dafür jene für Arbeit deutlich senken.“Das bringe uns den Klimaziele­n näher und würde Unternehme­r dazu animieren, Jobs zu schaffen.

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[ David Bohmann ] Die Pilotfabri­k ist im Aspern IQ. Die Solarzelle­n an der Fassade produziere­n mehr Strom, als das Haus benötigt.
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