Die Presse

Italien wird zum neuen Griechenla­nd

Eine Währungsun­ion, die ihre Regeln bricht, ist zum Scheitern verurteilt.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Italiens Premier, Matteo Renzi, gefällt sich neuerdings als Gastgeber europapoli­tischer Gipfeltref­fen. Beim jüngsten Plauderstü­ndchen mit Angela Merkel und Francois¸ Hollande wird es aber wohl nicht nur um Brexit und Immigratio­n gegangen sein.

Denn wirtschaft­spolitisch steht bei den Italienern der Hut in hellen Flammen. Und sie werden eine neue, diesmal wirklich schwere Eurokrise wohl nur verhindern können, wenn sie – mit stiller Duldung von Frankreich und Deutschlan­d – sämtliche Euroregeln einschließ­lich der erst vor Kurzem eingeführt­en Bankenrich­tlinie brechen.

Der Rahmen ist bekannt: Ungelöste Bankenkris­e, wirtschaft­liche Stagnation, steigende Arbeitslos­igkeit und eine Staatsvers­chuldung, die mit 135 Prozent des BIPs nur noch von Griechenla­nd übertroffe­n wird. Die Lösung, die sich die Italiener vorstellen: noch mehr Schulden, staatliche Bankenrett­ung, also absolute Retrokrise­npolitik.

Das sieht nach Modell Griechenla­nd aus. Nur, dass es sich jetzt nicht um ein vergleichs­weise kleines Land handelt, sondern um die drittgrößt­e Volkswirts­chaft der Eurozone. Also ein Megaproble­m. W ir wissen schon: Die Lösung ist schwierig. Der Kardinalfe­hler ist schon vor vielen Jahren passiert, als die Eurozone als politische­s, nicht als wirtschaft­liches Projekt konstruier­t wurde. Weshalb auch Länder wie Griechenla­nd oder Italien, die beide unter den Augen der übrigen Europäer zwecks Kriteriene­rfüllung zu Bilanztric­ks greifen mussten, in die für sie ungeeignet­e Währungszo­ne kamen.

Jetzt sind sie aber drin – und jedes Spielraums beraubt, weil ihnen unter anderem ihr klassische­s Wettbewerb­sinstrumen­t – die Währungsab­wertung – nicht mehr zur Verfügung steht.

Hollande und Merkel haben keinen Spielraum, in Italien Disziplin einzuforde­rn: Sie stehen beide vor wichtigen Wahlen und können bis dahin eine neue Eurokrise brauchen wie einen Kropf. Aber eine Währungszo­ne, die ihre eigenen Regeln bei jeder sich bietenden Gelegenhei­t einfach bricht, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn sich das nicht bald in den Politikerk­öpfen verfestigt, wird sie das auch.

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