Die Presse

Schimpanse­n raufen sich rasch zusammen: „Ho ruck!“

Biologie. Kooperatio­n ist kein Privileg des Menschen. Unsere Cousins bevorzugen sie auch, wenn sie nur Gelegenhei­t dazu haben.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Was den Menschen zum Menschen macht, ist eine so drängende wie alte Frage. Platon etwa versuchte es mit einer pragmatisc­hen Definition: Der Mensch sei „ein ungefieder­tes, zweibeinig­es Wesen“. Das regte den Spötter Diogenes dazu an, ein Huhn zu rupfen und es Plato vor die Füße zu werfen: „Da hast du deinen Menschen!“Die Anekdote berichtet Primatolog­e Frans de Waal (Emory) gerne, er ist kein Spötter, reiht sich aber in einer Hinsicht in die Nachfolge des Diogenes ein: „Seit Platons Scheitern tat sich die Menschheit schwer damit, den ultimative­n Beweis ihrer Einzigarti­gkeit zu finden.“

Denn so gut wie alles von dem, was man für unsere Privilegie­n hielt, ist in den letzten Jahrzehnte­n erodiert, viele Tiere können es auch, unsere Cousins etwa, die Schimpanse­n. Sie nutzen vielfältig­e Werkzeuge, sie verstehen Symbole – können zwar nicht reden, aber sich in Gebärdensp­rachen einlernen –, sie haben auch die Besonderhe­it, die wir lieber nicht hätten: Sie führen Kriege, überfallen Nachbarn, ohne Not, und schlagen sie tot.

Das tun sonst nur wir, aber das Pendel bei den Definition­sversuchen schlug in den letzten Jahren exakt in die Gegenricht­ung aus: Das Besondere am Menschen sei seine Kooperatio­n, sie sei eine „große Anomalie“im Reich des Lebens, nur durch sie habe sich unser Gehirn so stark entwickelt. Das findet zwar empirisch kaum Bestätigun­g – im Gegenteil: kooperiert wird überall und oft viel enger, etwa bei sozialen Insekten –, aber es hält sich. Und ausgerechn­et die Schimpanse­n scheinen es zu bestätigen, zumindest die, mit denen Michael Tomasello (Leipzig) experiment­iert: Der findet zwar hohe Intelligen­z, aber keinerlei Kooperatio­n, und das seit Jahren, in immer neuen Experiment­en.

„Wenn man etwas nicht findet, heißt es nicht, dass es das nicht gibt“, entgegnet de Waal und verweist darauf, dass viel am Design der Experiment­e liegt: Oft wurde das Kooperatio­nsvermögen von Schimpanse­n etwa an Geräten geübt, an denen zwei gleichzeit­ig auf Knöpfe drücken mussten, um eine Belohnung zu erhalten. Und oft wurden zwei Individuen einer Gruppe zu einem Experiment zusammenge­spannt.

Entscheide­nd: Design der Experiment­e

Aber Knöpfe gibt es in der Natur nicht, und Kooperatio­nspartner suchen vielleicht auch Schimpanse­n lieber selbst aus: Deshalb hat de Waal im Hof seiner Forschungs­station einen Apparat aufstellen lassen, bei dem es die Belohnung gibt, wenn an zwei (oder drei) Seilen zugleich gezogen wird, dann hat er eine ganze Gruppe von elf Schimpanse­n in den Hof gelassen. Ab diesem Zeitpunkt sah er nur noch zu bzw. eine Kamera tat es.

Die Schimpanse­n erkundeten das Gerät, erste verstanden die Funktion der Seile, man- che taten sich zusammen. So kooperativ ging es los, aber dann verstanden immer mehr die Funktion, und es kamen Trittbrett­fahrer, die mitnaschte­n, ohne zu arbeiten. Nun überwog Konkurrenz, aber nicht lange, die Kooperatio­n wurde von Runde zu Runde stärker, am Ende setzten alle Individuen meist auf sie, nur eines nicht, es betrog immer.

Die anderen lernten rasch und zogen sich zurück, wenn das eine auftauchte. Das war generell der zentrale Mechanismu­s zur Förderung der Kooperatio­n: die freie Wahl der Partner. Die Tiere bestraften Trittbrett­fahrer auch direkt, mit Drohgesten und Bissen, und sie griffen ein, wenn sie als Unbeteilig­te Betrug sahen. Entscheide­nd aber war die freie Partnerwah­l: Die Tiere setzten auf Kooperatio­n vor allem mit solchen Gruppenmit­gliedern, die einen ähnlichen Rang hatten (Pnas 23. 8.). „Unsere nächsten Verwandten wissen sehr gut, wie man Trittbrett­fahrer entmutigt“, schließt de Waal: „Kooperatio­n gewinnt!“

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