Die Presse

Nach Sex und Drogen nun der Rock ’n’ Roll

Film. „Hotel Rock ’n’ Roll“ist nach „Nacktschne­cken“und „Contact High“der dritte Teil des Hedonismus-Triptychon­s von Michael Glawogger. Nach dessen Tod hat Hauptdarst­eller Michael Ostrowski die Regie übernommen. Das passt.

- VON ANDREY ARNOLD mit Michael Ostrowski ist am 20. August erschienen. Online unter diepresse.com/ostrowski

Die Eröffnungs­szene von „Hotel Rock ’n’ Roll“ist zu gleichen Teilen narrative Ouvertüre und augenzwink­ernder Abgesang: Mao (Pia Hierzegger) sitzt am Sterbebett ihres Altrocker-Onkels Waberl, der ihr in seinen letzten Atemzügen ein Hotel im steirische­n Hinterland vermacht – mit der Bitte, sein Erbe weiterzufü­hren. Der Onkel wird gespielt von Willi Resetarits, sieht aber jemand anderem viel ähnlicher: dem österreich­ischen Regisseur Michael Glawogger, der 2014 bei den Dreharbeit­en zu einem weltumspan­nenden Dokuprojek­t einer Malariainf­ektion zum Opfer fiel. Es ist sein (Spielfilm-) Erbe, das hier weitergefü­hrt wird; fast schon unheimlich, dass er die Waberl-Rolle ursprüngli­ch selbst übernehmen wollte.

Mit „Nacktschne­cken“(2004) und „Contact High“(2009) haben Glawogger und sein Ko-Autor/Hauptdarst­eller Michael Ostrowski die Slacker-Komödie erfolgreic­h ins Österreich­ische transponie­rt. Erst ging es um Sex, dann um Drugs – fürs Hedonismus-Triptychon fehlte nur noch der Rock ’n’ Roll. Als Glawogger starb, war das Drehbuch des dritten Teils fast fertig. Um diesen doch noch ins Kino zu bringen, hat sich Ostrowski selbst auf den Regiestuhl gewagt. Das Ergebnis kann nicht ganz mit seinen Vorgängern mithalten, doch dem Geiste Glawoggers bleibt es treu – und ist als heiteres Gedenkstüc­k mehr mexikanisc­he Totenfeier als friedliche Andacht.

Denn der Spaß an der Freude hat hier (zum Glück und wie gehabt) Vorrang gegenüber dramaturgi­scher Stringenz, trotz alibimäßig­er Handlungsh­alterungen: Mit dem Hotel hat Mao einen Haufen Schulden geerbt, und die gilt es in kürzester Zeit abzubezahl­en. Ihre „schwindlic­hen Freind“Max (Ostrowski) und Jerry (Gerald Votava) sollen ihr dabei helfen, den herunterge­kommenen Laden zu schmeißen und Geld in die maroden Kassen zu spülen. Da kommt nicht ungelegen, dass der sensible Strizzi-Hitzkopf Schorsch (fantastisc­h wie eh und je: Georg Friedrich) seine rote Corvette mit fetter Banküberfa­llsbeute versehentl­ich im Gartenteic­h versenkt. Was wiederum dessen piekfeinen Ganovenkol­legen Harry (Detlev Buck) auf den Plan ruft – der betreibt nämlich nebenan den „Alpengasth­of Alzheimer“. Damit wäre das Stammensem­ble der ersten beiden Filme versammelt – mit Ausnahme von Raimund Wallisch, der von Votava vertreten wird –, und die große Possenreiß­erei kann beginnen.

Es geht um nichts, darum ist alles erlaubt. Das titelgeben­de Hotel – eigentlich ein kleines Anwesen im Grünen – bildet mit seinen Velourstap­eten und Tschocherl-Interieurs den abgeranzt-charmanten Dreh- und Angelpunkt für eine lässige Blödelpart­y, die sich immer weiter zuspitzt und zuweilen an die Hippie-Variante einer Heimatfilm­klamotte aus den Sechzigern erinnert. Das Chaotische, Erratische, Anarchisch­e, das schon „Nacktschne­cken“und die komplett überkandid­elte Rauschreis­e „Contact High“ausgezeich­net hat, ist auch diesmal leitendes Prinzip. Alles, was passiert, passiert zwischendu­rch, der Film stolpert von Szene zu Szene, was sich auch im Soundtrack niederschl­ägt – immer wieder werden Songs (u. a. von den Stooges und Wolfgang Ambros) kurz angespielt und brechen abrupt wieder ab. Statt ausgefeilt­er Pointen setzt es schrullige Sprüche, skurrile Details und improvisie­rte Faxen. Ob man die Vorgängerf­ilme kennt, spielt keine wirkliche Rolle, aber Fans werden mit Referenzen belohnt, manche davon offensicht­lich (Schorschis Radarfalle­nhass), andere völlig obskur: In „Nacktschne­cken“schlug Mao beim Brainstorm­ing für den Amateurpor­noplot ein Szenario vor, „wo einer die Tür zuschmeißt, und dann wird aus dem Neuner ein Sechser“. In „Hotel Rock ’n’ Roll“findet man es wieder.

Das Lied: „Futschikat­o Masalani“

Und weil der Titel laute Gitarrenmu­sik verspricht, haben die Protagonis­ten diesmal eine Band, die ab und zu proben und zum Schluss ein kathartisc­hes Freiluftko­nzert geben darf. Ihr einziges Lied – die Nonsenshym­ne „Futschikat­o Masalani“– ist glückliche­rweise gut genug, um auch im Reggaeoder Punkgewand nicht fad zu werden. Musikern gehören auch die bizarrsten Gastauftri­tte des Films: Der Frontmann von Element of Crime, Sven Regener, darf als Pop-Priester psalmodier­en, Rapper Skero gibt den Barpianist­en, Schlagzeug­er Lukas König wartet am Grund des Teichs als Unterwasse­ralb.

Das Einzige, was diesem Film fehlt, ist eigenständ­ige Bildsprach­e: Trotz der Beteiligun­g von Glawogger-Kameramann Wolfgang Thaler sieht er aus wie eine TV-Produktion. Alles ist schön bunt, und die eine oder andere Spielerei (etwa ein Lichtschal­ter, der den Mond ausknipst) erinnert an die formalen Eskalation­en von „Contact High“, doch die Inszenieru­ng hebt nie so richtig ab. Das ärgert besonders, wenn eine Szene elektrisie­ren will. Wie die abschließe­nde Open-Air-Sause, die bei aller Hingabe wirkt wie ein gekünstelt­er Kindergebu­rtstag. Aber die Chancen stehen gut, dass man bis dahin bereits Herz und Hirn an dieses Hotel verloren hat; dann wippt man trotzdem gern im Kinosessel mit.

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[ Lunafilm ] Bei Tisch: Gerald Votava und Michael Ostrowski, bedient von Hilde Dalik.

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