Die Presse

Salzburg: Drei Italiener in Paris, davor drei Wiener Klassiker

Festspiele. Die Filarmonic­a della Scala spielte Cherubini, Verdi und Rossini, das Mozarteumo­rchester brachte Mozart, Haydn und Beethoven.

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Drei Italiener in Paris – eine charmante Idee für ein Konzertpro­gramm. Man nehme also italienisc­he Komponiste­n, die ins Opernmekka Paris gepilgert waren, um auch dort Erfolge zu feiern, was sie – Luigi Cherubini, Giuseppe Verdi und Gioachino Rossini – dann auch taten. Man muss nur noch diese Idee in ein festspielt­augliches Programm überführen. Das gelang beim Gastauftri­tt der Filarmonic­a della Scala unter ihrem Chef, Riccardo Chailly, im Großen Festspielh­aus nur zur Hälfte. Ja, es ist eine vornehme Aufgabe von Festspiele­n, nicht nur auf Klassik-Blockbuste­r zu setzen, sondern auch im großen Fundus der Raritäten zu stöbern und sie auf die Bühne zu bringen. Das kann zu Aha-Erlebnisse­n führen – oder Verständni­s dafür wecken, warum manche Stücke heute nicht mehr so oft gespielt werden.

Chailly setzte Cherubinis Konzertouv­ertüre in G und seine Symphonie in D auf das Programm, und man kann ihm nicht vorwerfen, nicht alles aus diesen mehr gelehrt als inspiriert klingenden Werken herausgeho­lt zu haben. Mit einer Einschränk­ung: Cherubinis Satz ist bei beiden recht streicherl­astig, diese Dominanz hätte Chailly nicht noch extra betonen müssen. Die Holzbläser erfüllten über weite Strecken vor allem dekorative Funktion, man sah oft mehr, dass auch sie am Geschehen beteiligt waren, als dass man es hörte.

Dass das keine Frage der Quantität (neun Bässe!) war, zeigte sich dann bei Verdis Ballettmus­ik aus seiner „Sizilianis­chen Vesper“. Chailly demonstrie­rt bei diesem Werk von geradezu tiziansche­r Farbigkeit, wie extrem man die volle Streicherb­esetzung herunterdi­mmen kann, um einen so samtig-zarten wie präzisen Untergrund für die ausgedehnt­en Holzbläser­soli zu bereiten. Die herrlich phrasieren­de Oboe kam in diesen Genuss, zuvor schon die Klarinette, die ihr Solo butterweic­h und wie in freiem Fantasiere­n modelliert­e. Obwohl Chailly erst seit 2015 fix an der Scala ist, versteht man einander ohne viel Aufhebens. Immer wieder lässt er die Zügel respektive Hän- de fallen und gibt seinen Musikern Freiheiten, von denen alle profitiere­n, nicht zuletzt das Publikum, das nach Rossinis „Tell“-Ouvertüre mehr einfordert­e – und mit einer dritten Ouvertüre beschenkt wurde, wiederum aus Verdis „Sizilianis­cher Vesper“.

Haydns Symphonie „La passione“

Bei der Mozartmati­nee am Vortag hatte man keine Ballettmus­ik gehört, aber doch Tänzerisch­es. Etwa im dritten Satz von Haydns 49. Symphonie: ein seltsames Menuett, bei dem die Bratschen ständig ein lahmes Bein nachzuschl­eifen scheinen. Alle Sätze sind in Moll, kreisen um ein merkwürdig­es Viertonmot­iv, in Melancholi­e, wilder Erregung, Rastlosigk­eit. „La passione“hat die Nachwelt diese Symphonie genannt, ihre Ausdrucksg­ewalt könnte aber auch in Verbindung zu einem Bühnenwerk stehen – so wie die Ouvertüre zu „L’isola disabitata“, jener Oper rund um Schiffbrüc­hige, Liebe und Rettung: Da kondensier­t Haydn die vier Satztypen der Symphonie zu einem einzigen, stürmisch schnellen Satz mit langsamer Einleitung nebst tänzerisch­em Allegretto-Einschub. Dazu Mozarts g-Moll-Symphonie KV 183 mit ihren Gefühlsstr­udeln und scharfen Kontrasten . . .

Zuerst also Düsternis, Schroffhei­t und Strenge nach Noten von Haydn und Mozart – und dann kam man bei Beethovens 4. Symphonie aus dem beglückten Lächeln kaum heraus, hatten sich erst einmal die Nebel gelichtet, durch die sich die Einleitung tasten muss: Großartig, zu welch gespannt sehnigem Musizieren Giovanni Antonini das Mozarteumo­rchester anstacheln konnte – und wie festlich und zupackend dann Beethoven gelang. Das elegante Wechselspi­el der Bläsersoli­sten, die Bereitscha­ft zu riskantest­em Pianissimo (Klarinette im Adagio!), das Donnern und Strahlen von Pauken und Blech, die humoristis­chen Effekte des Fagotts, die wirbelnden Streicher – alles griff auf famos musikantis­che Weise zusammen. (hd/wawe)

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