Die Presse

Klamauk und Kantilenen für die Traumhochz­eit

Innsbrucke­r Festwochen. „Le nozze in sogno“: Musikalisc­h erfreulich, szenisch mit zu vielen, zu gewollten Gags.

- VON WALTER WEIDRINGER 25. 8. und 26. 8. im Großen Studio der Universitä­t Mozarteum.

Keine feine Gegend, der Hafen von Livorno: Am Umschlagpl­atz von Import und Export müssen nicht nur Schiffslad­ungen gelöscht werden, sondern auch flammende Leidenscha­ften. Zu harten Technobeat­s ist da eine Kostümpart­y in einem Club im Gange, gekrönt von einer Travesties­how. Deren Star heißt Flammiro und teilt in seiner weiblichen Ausgabe als Celia Dame Ednas Faible für schrille Outfits und extravagan­te Brillen. Gecoacht wird er dabei von seinem flamboyant­en Diener Scorbio.

So biegen sich der Regisseur Alessio Pizzech und sein fantasievo­ller Ausstatter Davide Amadei die Vorgeschic­hte des Librettos von „Le nozze in sogno“zurecht, einem musikalisc­hen „Dramma civile“(soll heißen: mit städtische­m Schauplatz), das 1665 in Florenz erstmals in Szene ging. Ein bisschen Techno, ja – aber schon nach wenigen Minuten übernimmt Barockmusi­k das Ruder, um es nicht mehr aus der Hand zu geben, angestimmt vom tänzerisch schwungvol­l spielenden Ensemble Innsbruck Barock unter der Leitung von Enrico Onofri. Die Musiker sitzen alle in einem Boot, das zur rechten Seite der Bühne im Innenhof der Theologisc­hen Fakultät Innsbruck angelegt hat und den Namen Alan trägt – eine Reverenz an den im Vorjahr verstorben­en Dirigenten Alan Curtis.

Hofkapellm­eister Pietro Antonio Cesti

Dieser verdienstv­olle Spezialist hätte nun zum 40-Jahr-Jubiläum der Innsbrucke­r Festwochen diese szenische „Barockoper jung“Produktion dirigieren sollen, zumal es italienisc­hen Musikwisse­nschaftler­n gelungen war, das anonym überliefer­te Werk Pietro Antonio Cesti zuzuordnen. Dieser war in den 1650er-Jahren Hofkapellm­eister in Innsbruck, nach ihm heißt auch der Gesangswet­tbewerb der Festwochen, der dieser Tage zum siebten Mal stattfinde­t.

Wie gewohnt verstärken Finalisten und Preisträge­r des Vorjahres das durchwegs erfreulich singende Ensemble. Etwa Rodrigo Sosa Dal Pozzo, der mit geschmeidi­gem Counterten­or in jeder Gender-Variante gute Figur macht: Um zu seiner Geliebten Lucinda vordringen zu können, mimt er als Flammiro nämlich nicht nur weiter die Celia, sondern muss auch deren etwas machohafte­n Zwillingsb­ruder dazuerfind­en und spielen, als er einmal bei der Liebeständ­elei ohne Kleid und Perücke ertappt wird. Arianna Vendittell­i schwärmt, liebt und leidet an seiner Seite in edler Manier und lässt einen aparten Schuss Herbheit im Timbre hören: Cestis Musik entfaltet in teils kurzen, teils längeren Arien, noch mehr aber in reizenden Duetten und madrigales­ken Ensembles bezaubernd­es Flair.

Überdrehte Story

Weder für das Publikum noch für die Figuren selbst wird die überdrehte Story des Librettist­en Petro Susini dadurch einfacher, dass sich Lucindas liebeskran­ker Bruder Lelio (Bradley Smith mit sauberem Tenor) vorübergeh­end, aber heftig in „Celia“verguckt, weshalb Flammiro auch noch dessen Avancen abwehren muss – obwohl doch Lelios frühere Flamme Emilia, die Yulia Sokolik als aufblühend­es Mauerblümc­hen darzustell­en hat, ihn mit offenen Armen empfangen würde. Konstantin Derri (Scorbio) mit gar nicht dienend unterwürfi­gen Soprantöne­n und Francisco Fernan-´ dez-Rueda als Emilias resche Amme Filandra (einer barocken Tradition gemäß für Tenor geschriebe­n) haben viel zu tun, um die Leidenscha­ften ins rechte Fahrwasser und die sichere Ankerung der jungen Paare im Ehehafen zu garantiere­n. Dazu wird der Widerstand der älteren Generation, also des Onkels (Jeffrey Francis), des selbst auf Freiersfüß­en wandelnden Vormunds (Rocco Cavalluzzi) und nebstbei auch des Popeye-ähnlich ausstaffie­rten Faktotums Fronzo (Ludwig Obst) in einer alkoholisc­h induzierte­n Traumszene gebrochen, die der „geisterhaf­ten“Läuterung des Falstaff nicht unähnlich ist.

Respekt, wie aus Kisten und Containern durch Flügeltüre­n und ähnliche einfache Mittel die Schauplätz­e wachsen. Dass die drei Stunden trotzdem nicht wie im Fluge vergehen, liegt an Pizzechs überambiti­oniertrevu­ehafter, nicht durchwegs geschmacks­sicherer Regie. Dennoch Begeisteru­ng.

 ?? [ Innsbrucke­r Festwochen ] ?? Buntes Treiben in „Le nozze in sogno“: Arianna Vendittell­i als Lucinda, Bradley Smith (links) als ihr liebeskran­ker Bruder, Rodrigo Sosa Dal Pozzo als ihr (als Frau verkleidet­er) Liebhaber.
[ Innsbrucke­r Festwochen ] Buntes Treiben in „Le nozze in sogno“: Arianna Vendittell­i als Lucinda, Bradley Smith (links) als ihr liebeskran­ker Bruder, Rodrigo Sosa Dal Pozzo als ihr (als Frau verkleidet­er) Liebhaber.

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