Die Presse

Webern-Drama: Uraufführu­ng am Semmering

Otto Brusatti arrangiert­e das frühe, nachgelass­ene Drama „Tot“Anton von Weberns.

- 25. 8., 19.30 Uhr; Reprisen: 26. 8., 19.30 Uhr, und 27. 8., 15 und 19.30 Uhr.

Vor 71 Jahren wurde Anton von Webern in Mittersill von einem Besatzungs­soldaten erschossen. Arnold Schönbergs Meistersch­üler hat die Stilgeschi­chte der Neuen Musik nach dem Zweiten Weltkrieg wie kein anderer geprägt, blieb aber eine der rätselhaft­en Figuren der Musikgesch­ichte. Seine Verehrer versuchen bestimmte seiner Charakterz­üge und (deutlich deutschnat­ional geprägten) politische­n Überzeugun­gen bis heute möglichst verdeckt zu halten. Überdies verlor Weberns Nachruhm mit der „Postmodern­e“deutlich an Strahlkraf­t.

Umso spannender, zur Neujustier­ung unserer Sicht auf diese Künstlerpe­rsönlichke­it mit einem Werk konfrontie­rt zu werden, das bisher unaufgefüh­rt geblieben ist – und das den Sprachküns­tler Webern repräsenti­ert. 1912/13 schrieb er ein Drama namens „Tot“. Otto Brusatti hat es für die späte Uraufführu­ng eingericht­et.

Das Werk handelt von einem Paar, das sich über der Trauerarbe­it angesichts seines toten Kindes auseinande­rlebt und in der Natur, in Frömmigkei­t aber auch in Gottesverf­luchungen und Wahnvorste­llungen Auswege sucht. Dieses „Meisterwer­k des Expression­ismus“, so die Veranstalt­er vom Kultur.Sommer.Semmering, wird auch durch musikalisc­he Untermalun­gen und Umrahmunge­n neu definiert, die von Webern’schen Originalkl­ängen bis zu Jodlern und akustische­n Interventi­onen der Gruppe Mischwerk reichen. Die scheinbar unvereinba­re Mixtur spiegelt wiederum des Komponiste­n eigene Persönlich­keit, die zwar die Musiksprac­he der Moderne in bis zu diesem Zeitpunkt ungeahnte Regionen voranzutre­iben wusste, anderersei­ts aber gern auch dem Hang zu einer bürgerlich-zünftigen Lebensweis­e nachgab.

Mödlinger Männergesa­ngverein

Manche Details aus Weberns Vita können Kommentato­ren bis heute nur schwer mit der bis an die Grenzen der Stille und des (Ver-)Schweigens getriebene­n Konzentrat­ion der Webern’schen Tonsprache vereinen. Der Komponist war etwa auch im Präsidium des Mödlinger Männergesa­ngvereins tätig, der Mitglieder für ihre „Verdienste um deutsches Lied und deutsche Art“ehrte. Arnold Schönberg fragte aus dem amerikanis­chen Exil nach, ob die Gerüchte, Webern sei ein Nazi-Parteigäng­er geworden, denn stimmten, bevor er dem Schüler sein Violinkonz­ert zueignete. Vor Weberns rigorosen Ausformung­en seiner eigenen sogenannte­n Zwölftonme­thode stand selbst der Lehrer mit Staunen; Schönbergs Antipode Igor Strawinsky wiederum näherte sich im Alter gerade Webern mit Hingabe.

Beschäftig­ung mit Literatur und Drama war für den Schönberg-Kreis eine Selbstvers­tändlichke­it. Anekdotisc­h überliefer­t ist die spontane Reaktion des 24-jährigen Webern auf Gustav Mahlers Frage, wie es die Jungen denn mit Dostojewsk­i hielten: „Herr Direktor, wir haben aber jetzt den Strindberg.“

Das Kurhaus am Semmering bildet den Rahmen für die posthume Uraufführu­ng von Weberns Theaterstü­ck. (sin)

Newspapers in German

Newspapers from Austria