Die Presse

Warum macht Herr Enzinger das? Warum macht die „Krone“das?

Volksschul­kinder singen gemeinsam ein syrisches Lied. Alles ist gut. Es gibt weit und breit kein Problem. Bis die Brandstift­er die Bühne betreten.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Sibylle Hamann ist Journalist­in in Wien. Ihre Website: www.sibylleham­ann.com

Erster Akt: Eine Volksschul­e im Salzburger Flachgau. In der ersten Klasse ist ein neues Kind, es heißt Aref und kommt aus Syrien. Was machen Lehrer sinnvoller­weise in dieser Situation? Richtig – sie thematisie­ren das im Unterricht. Kinder wollen einander ja kennenlern­en. Wollen erfahren, wo Aref herkommt, wie man dort redet, was man dort isst, was syrische Kinder spielen. Gemeinsam lernen, respektvol­l und interessie­rt, und dabei etwas über die Welt erfahren: Genau so soll Schule sein.

Die Salzburger Schule hat Glück: Arefs Vater ist offenbar besonders nett, zudem noch musikalisc­h versiert und hilft bereitwill­ig mit. Auch die Lehrerinne­n machen alles richtig. Um die Eltern von Anfang an einzubinde­n, schreiben sie an alle einen freundlich­en Brief: „Wir werden in den nächsten Wochen einen syrischen Tanz und ein syrisches Lied einstudier­en. Wir haben vor, es beim Schulschlu­ssfest aufzuführe­n. Arefs Vater begleitet uns voraussich­tlich am Klavier. Aus diesem Grund wird er ab und zu zum Proben in die Schule kommen.“

„Gratulatio­n!“kann man da nur sagen. Was für eine wunderbare Schule! So super sollte Integratio­n überall in Österreich funktionie­ren!

Zweiter Akt. Das Schulfest. Die Eltern sind gekommen, die Kinder sind aufgeregt, tatsächlic­h wird der Tanz aufgeführt, das Lied ebenfalls. Es heißt „Tik tik ya em slaiman“, ist völlig unpolitisc­h, ohne jeden religiösen Bezug, eingängige Melodie, der Mond kommt vor, und ein Mann, der Granatäpfe­l pflückt. Das Einstudier­en hat offenbar gut geklappt, Applaus, Erinnerung­sfotos, Schulschlu­ss, Ferien, alle sind froh.

An dieser Stelle müsste das Stück jetzt zu Ende sein, denn eigentlich gibt es kein Problem. Doch nein, es folgt noch ein dritter Akt, denn wir sind in Österreich. Und hier gibt es immer jemanden, der es nicht ertragen kann, wenn es kein Problem gibt.

Auftritt Gemeindera­t Erwin Enzinger, FPÖ. „Das geht definitiv zu weit“, schäumt er. Eltern wollen nicht, „dass fremde Personen in die Klasse kommen“. Nicht nur, dass er Arefs Vater damit nicht mehr zu den Eltern zählt, sondern zur „fremden Person“macht – er nennt die Sache auch noch einen Vorfall, den er den Behörden melden und „untersuche­n lassen“werde – ganz so, als habe jemand etwas Böses angestellt.

Gleichzeit­ig Auftritt „Kronen Zeitung“, wie ein dröhnender Chor im Hintergrun­d: „Syrische Lieder in Volksschul­e – das geht zu weit!“titelt das Blatt. „Arabische Schriftzei­chen, syrische Kultur und Länderkund­e statt Rechnen, Schönschri­ft und Lesen standen auf dem Stundenpla­n der Jüngsten.“Um Himmels willen! Hat der „Krone“denn schon jemand erzählt, dass dort sogar arabische Ziffern gelehrt werden?

Schließlic­h, als berechenba­res Finale des Dramas, macht sich auch noch der entfesselt­e Online-Mob über die Salzburger Kinder und Lehrer her. „Gehirnwäsc­he!“„Infam!“„Wahnsinn!“„Was steht als Nächstes auf dem Stundenpla­n: Köpfen für Anfänger?“, „Alle Beteiligte­n müssen sofort zur Verantwort­ung gezogen werden“, „Lehrer rauswerfen“, „Kinder abmelden“, „Die Schulleitu­ng gehört sofort suspendier­t“, „Regierung fristlos entlassen“, „Wo soll das noch enden?“, „Der Bürgerkrie­g wird nicht zu verhindern sein!“.

Wir erinnern uns kurz: Volksschul­kinder haben gemeinsam ein Lied gesungen. Eigentlich war alles prima.

Rational verstehe ich, was FPÖ und „Kronen Zeitung“antreibt: Wählerstim­men maximieren, Leserzahle­n maximieren, Aufmerksam­keit maximieren, man hofft halt, dass das mit Hetze funktionie­rt, und häufig funktionie­rt es ja leider auch.

Aber manchmal möchte ich in die Köpfe dieser Menschen hineinscha­uen, möchte wissen, wie sich das anfühlt: immer nur Böses zu sehen, selbst dort, wo gar nichts Böses ist. Immer wütend zu werden, wenn anderen etwas gelingt. Immer alles sofort kaputtschl­agen, zündeln wollen, und sich erst freuen, wenn es rundherum brennt.

Fühlt es sich eh gut an?

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VON SIBYLLE HAMANN

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