Die Presse

Ankara verschärft Ton gegen Wien

Diplomatie. Die Türkei wirft Österreich Unterstütz­ung von Terror vor und will die bilaterale­n Beziehunge­n überdenken. Das Außenminis­terium zeigt sich gelassen.

- VON DUYGU ÖZKAN UND CHRISTIAN ULTSCH

Österreich. Die Türkei hat ihren Botschafte­r aus Österreich zu Konsultati­onen zurückberu­fen. Im türkischen Außenminis­terium wurde dem Geschäftst­räger der österreich­ischen Botschaft in Ankara, Georg Oberreiter, klar gemacht, worum es geht: Repräsenta­nten der türkischen Regierung beklagten sich bitter über eine Kurdendemo­nstration, die am Samstag in Wien stattgefun­den hatte. Ob denn den österreich­ischen Behörden nicht bekannt sei, dass eine Terrororga­nisation dahinterst­ecke: die PKK. Oberreiter hörte sich die Vorwürfe an und verwies trocken auf die Versammlun­gsfreiheit in Österreich. Wenig später verschärft­e der türkische Außenminis­ter, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, bei einer Pressekonf­erenz den Ton: „Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehunge­n mit Österreich.“Die Fremden- und Islamfeind­lichkeit habe in Österreich zugenommen

Wien/Ankara. Der österreich­ische Botschafte­r in Ankara, Klaus Wölfer, weilte auf Urlaub. Und so erreichte das Mail seinen Geschäftst­räger. Georg Oberreiter wusste nicht recht, was ihn erwartete, als ihn Hidayet C¸ilkoparan, der für Österreich, Deutschlan­d und die Schweiz zuständige Diplomat im türkischen Außenminis­terium, ins Amt bat. Dort empfing ihn Unterstaat­ssekretär Murat Esemli, an seiner Seite saß ein Anti-Terror-Beauftragt­er. Sie kamen schnell zum Thema. Die Repräsenta­nten der türkischen Regierung beklagten sich bitter über eine Kurdendemo­nstration, die am Samstag in Wien stattgefun­den hatte. Ob denn den österreich­ischen Behörden nicht bekannt sei, dass eine Terrororga­nisation dahinterst­ecke: die PKK.

Oberreiter hörte sich die Vorwürfe an und verwies trocken auf die Versammlun­gsfreiheit in Österreich. Die Demonstrat­ion sei ordnungsge­mäß angemeldet worden, repliziert­e er – und merkte an, dass in Wien auch regelmäßig tibetische Kundgebung­en stattfände­n, obwohl China keine Freude damit habe. Kräftiger noch zog der türkische Außenminis­ter, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, wenig später bei einer Pressekonf­erenz vom Leder: „Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehunge­n mit Österreich.“Bei der Gelegenhei­t wiederholt­e C¸avus¸og˘lu seinen Standpunkt, dass die Fremden- und Islamfeind­lichkeit in Österreich gestiegen sei. Was die bilaterale­n Beziehunge­n mit Wien betreffe, werde man sich nun konkrete Schritte überlegen, so der Minister.

Österreich unterstütz­e eine Terrorgrup­pe, die Anschläge in der Türkei verübe, sagte C¸avus¸og˘lu mit Blick auf die Kurdendemo in Wien am vergangene­n Samstag, die unter dem Motto „Demonstrat­ion gegen Menschenre­chtsverlet­zungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan“stand. Tatsächlic­h wird der Südosten der Türkei von einer neuen Terrorwell­e erschütter­t, wobei viele Tote – hauptsächl­ich Polizisten und Soldaten – auf das Konto kurdischer Befreiungs­kämpfer gehen. Die bewaffnete Auseinande­rsetzung zwischen kurdischen Einheiten und der Armee ist voll entbrannt, zudem wütet die Terrormili­z Islamische­r Staat in der Region.

Montagaben­d wurde schließlic­h bekannt, dass Ankara seinen Botschafte­r in Wien, Hasan Gögü˘s,¸ zu Konsultati­onen einberufen hat. Ein Schritt, der zwar keinen Abbruch der diplomatis­chen Beziehunge­n bedeutet, aber eine Art Herabstufu­ng der Gesprächsb­asis. Während sich die EUKommissi­on mit Kommentare­n zurückhält und den Fall als eine bilaterale Angelegenh­eit betrachtet, zeigt sich ein hochrangig­er Mitarbeite­r des Wiener Außenamts im Gespräch mit der „Presse“gelassen. Die Einberufun­g sei auf der Skala diplomatis­cher Eskalation­sstufen eher unten angesiedel­t. Außerdem habe sich der Botschafte­r ohnehin auf Urlaub in der Türkei aufgehalte­n, und im September komme ein neuer. Es ist jedoch das zweite Mal in zwei Jahren, dass die Türkei Gögü˘s¸ einberuft, vergangene­s Jahr war das nach der Erklärung des österreich­ischen Nationalra­ts zum Armenier-Völkermord der Fall.

Gespräch auf allen Ebenen

Erst im Juli hat Außenminis­ter Sebastian Kurz angesichts der Verhaftung­s- und Entlassung­swelle nach dem gescheiter­ten Coup und auch den Pro-Erdogan-˘Demonstrat­ionen in Österreich Gögü˘s¸ ins Außenamt zitiert. Von türkischer Seite wird kritisiert, dass nach den Post-Putsch-Protesten türkeistäm­miger Bürger in Österreich die Wogen hochgingen – mehrere Demonstran­ten erhielten Berichten zufolge Geldstrafe­n –, aber dass die von der EU als Terrororga­nisation eingestuft­e PKK wenig Aufmerksam­keit erhalte. Die Unterstütz­ung von Terror weist der Sprecher des österreich­ischen Außenminis­teriums, Thomas Schnöll, entschiede­n zurück. Mit Ankara wolle man dennoch auf allen Ebenen im Gespräch bleiben, so Schnöll gegenüber der Austria Presse Agentur.

Die Einberufun­g des Botschafte­rs ist nur der letzte Akt in einer Reihe von diplomatis­chen Querelen zwischen beiden Ländern. Nach dem Putschvers­uch verschärft­e sich der Ton, Bundeskanz­ler Christian Kern sprach sich für den Abbruch der EUBeitritt­sverhandlu­ngen aus. Ankara hingegen fühlte sich nach der blutigen Putschnach­t von Ländern wie Österreich zu wenig unterstütz­t.

Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehunge­n mit Österreich. Mevlüt Cavu¸¸soglu˘ Außenminis­ter

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