Ankara verschärft Ton gegen Wien
Diplomatie. Die Türkei wirft Österreich Unterstützung von Terror vor und will die bilateralen Beziehungen überdenken. Das Außenministerium zeigt sich gelassen.
Österreich. Die Türkei hat ihren Botschafter aus Österreich zu Konsultationen zurückberufen. Im türkischen Außenministerium wurde dem Geschäftsträger der österreichischen Botschaft in Ankara, Georg Oberreiter, klar gemacht, worum es geht: Repräsentanten der türkischen Regierung beklagten sich bitter über eine Kurdendemonstration, die am Samstag in Wien stattgefunden hatte. Ob denn den österreichischen Behörden nicht bekannt sei, dass eine Terrororganisation dahinterstecke: die PKK. Oberreiter hörte sich die Vorwürfe an und verwies trocken auf die Versammlungsfreiheit in Österreich. Wenig später verschärfte der türkische Außenminister, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, bei einer Pressekonferenz den Ton: „Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehungen mit Österreich.“Die Fremden- und Islamfeindlichkeit habe in Österreich zugenommen
Wien/Ankara. Der österreichische Botschafter in Ankara, Klaus Wölfer, weilte auf Urlaub. Und so erreichte das Mail seinen Geschäftsträger. Georg Oberreiter wusste nicht recht, was ihn erwartete, als ihn Hidayet C¸ilkoparan, der für Österreich, Deutschland und die Schweiz zuständige Diplomat im türkischen Außenministerium, ins Amt bat. Dort empfing ihn Unterstaatssekretär Murat Esemli, an seiner Seite saß ein Anti-Terror-Beauftragter. Sie kamen schnell zum Thema. Die Repräsentanten der türkischen Regierung beklagten sich bitter über eine Kurdendemonstration, die am Samstag in Wien stattgefunden hatte. Ob denn den österreichischen Behörden nicht bekannt sei, dass eine Terrororganisation dahinterstecke: die PKK.
Oberreiter hörte sich die Vorwürfe an und verwies trocken auf die Versammlungsfreiheit in Österreich. Die Demonstration sei ordnungsgemäß angemeldet worden, replizierte er – und merkte an, dass in Wien auch regelmäßig tibetische Kundgebungen stattfänden, obwohl China keine Freude damit habe. Kräftiger noch zog der türkische Außenminister, Mevlüt C¸avus¸og˘lu, wenig später bei einer Pressekonferenz vom Leder: „Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehungen mit Österreich.“Bei der Gelegenheit wiederholte C¸avus¸og˘lu seinen Standpunkt, dass die Fremden- und Islamfeindlichkeit in Österreich gestiegen sei. Was die bilateralen Beziehungen mit Wien betreffe, werde man sich nun konkrete Schritte überlegen, so der Minister.
Österreich unterstütze eine Terrorgruppe, die Anschläge in der Türkei verübe, sagte C¸avus¸og˘lu mit Blick auf die Kurdendemo in Wien am vergangenen Samstag, die unter dem Motto „Demonstration gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei und die Isolation von Abdullah Öcalan“stand. Tatsächlich wird der Südosten der Türkei von einer neuen Terrorwelle erschüttert, wobei viele Tote – hauptsächlich Polizisten und Soldaten – auf das Konto kurdischer Befreiungskämpfer gehen. Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen kurdischen Einheiten und der Armee ist voll entbrannt, zudem wütet die Terrormiliz Islamischer Staat in der Region.
Montagabend wurde schließlich bekannt, dass Ankara seinen Botschafter in Wien, Hasan Gögü˘s,¸ zu Konsultationen einberufen hat. Ein Schritt, der zwar keinen Abbruch der diplomatischen Beziehungen bedeutet, aber eine Art Herabstufung der Gesprächsbasis. Während sich die EUKommission mit Kommentaren zurückhält und den Fall als eine bilaterale Angelegenheit betrachtet, zeigt sich ein hochrangiger Mitarbeiter des Wiener Außenamts im Gespräch mit der „Presse“gelassen. Die Einberufung sei auf der Skala diplomatischer Eskalationsstufen eher unten angesiedelt. Außerdem habe sich der Botschafter ohnehin auf Urlaub in der Türkei aufgehalten, und im September komme ein neuer. Es ist jedoch das zweite Mal in zwei Jahren, dass die Türkei Gögü˘s¸ einberuft, vergangenes Jahr war das nach der Erklärung des österreichischen Nationalrats zum Armenier-Völkermord der Fall.
Gespräch auf allen Ebenen
Erst im Juli hat Außenminister Sebastian Kurz angesichts der Verhaftungs- und Entlassungswelle nach dem gescheiterten Coup und auch den Pro-Erdogan-˘Demonstrationen in Österreich Gögü˘s¸ ins Außenamt zitiert. Von türkischer Seite wird kritisiert, dass nach den Post-Putsch-Protesten türkeistämmiger Bürger in Österreich die Wogen hochgingen – mehrere Demonstranten erhielten Berichten zufolge Geldstrafen –, aber dass die von der EU als Terrororganisation eingestufte PKK wenig Aufmerksamkeit erhalte. Die Unterstützung von Terror weist der Sprecher des österreichischen Außenministeriums, Thomas Schnöll, entschieden zurück. Mit Ankara wolle man dennoch auf allen Ebenen im Gespräch bleiben, so Schnöll gegenüber der Austria Presse Agentur.
Die Einberufung des Botschafters ist nur der letzte Akt in einer Reihe von diplomatischen Querelen zwischen beiden Ländern. Nach dem Putschversuch verschärfte sich der Ton, Bundeskanzler Christian Kern sprach sich für den Abbruch der EUBeitrittsverhandlungen aus. Ankara hingegen fühlte sich nach der blutigen Putschnacht von Ländern wie Österreich zu wenig unterstützt.
Es gibt keine Grundlage mehr für normale Beziehungen mit Österreich. Mevlüt Cavu¸¸soglu˘ Außenminister