Die Presse

VW-Golf wird wieder produziert

Automobili­ndustrie. Volkswagen einigt sich mit der Prevent-Gruppe auf einen Kompromiss. Die Kurzarbeit ist damit abgewendet. Aber die Machtverhä­ltnisse in der Branche haben sich geändert.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Wolfsburg. Volkswagen hat den Machtkampf mit zwei Lieferante­n beigelegt und damit größeren wirtschaft­lichen Schaden abgewendet. Nach einem 20-stündigen Verhandlun­gsmarathon einigte sich der Wolfsburge­r Autobauer am Dienstag mit den Firmen der Prevent-Gruppe auf ein Ende des Lieferstre­iks, der zu Produktion­sausfällen in mehreren VW-Werken geführt hatte. Die betroffene­n Standorte bereiteten nun schrittwei­se die Wiederaufn­ahme der Produktion vor, teilte VW mit. Damit ist die drohende Kurzarbeit für fast 30.000 Mitarbeite­r in sechs VW-Werken abgewendet.

Wegen des Lieferstre­its musste die Produktion des wichtigen Kompaktmod­ells Golf im Stammwerk Wolfsburg und im sächsische­n Zwickau ruhen. Im Passat-Werk Emden gingen bereits vergangene Woche 7500 Mitarbeite­r in Kurzarbeit.

Berlin/Wolfsburg. Am Dienstagmo­rgen, nach einem rund 20-stündigen Verhandlun­gsmarathon, hatten Volkswagen und die Prevent-Gruppe dann doch das Kriegsbeil begraben. Der seit Tagen andauernde Streit um stornierte Aufträge, unerfüllte Schadenser­satzwünsch­e und zurückgeha­ltene Getriebete­ile wurde für beendet erklärt. Der Lieferstop­p werde ab sofort aufgehoben, sagte ein Prevent-Sprecher.

Im Stammwerk Wolfsburg, wo der Golf produziert wird, und an weiteren fünf VW-Standorten, die in den vergangene­n Tagen weitgehend lahmgelegt waren, kann schrittwei­se wieder Produktion­salltag einkehren. Anders gesagt: Die drohende Kurzarbeit für rund 28.000 Mitarbeite­r ist damit vom Tisch.

Wie es dazu kam? Das bleibt bis auf Weiteres ein wohl behütetes Geheimnis. Über die (finanziell­en) Details des Paktes hatten die ehemaligen Streitpart­eien Stillschwe­igen vereinbart. Aus dem Umfeld von Prevent, zu dem die sächsi- schen Zulieferer ES Automobilg­uss (Getriebete­ile) und Car Trim (Sitzbezüge) gehören, war zu hören, dass man sich auf eine langfristi­ge Partnersch­aft verständig­t habe. Trotz allem. Volkswagen äußerte sich nicht. Für viele Experten war das ein Hinweis darauf, dass Prevent seine Forderunge­n zumindest teilweise durchsetze­n konnte. Die vergangene Woche habe gezeigt, dass sich die Machtverhä­ltnisse in der Branche verändern, sagte der Autoindust­rie-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni Duisburg gegenüber Reuters. Die vermeintli­chen Zwerge könnten „die Gullivers der Autobranch­e“in Nöte bringen.

Anlass für den Konflikt war – laut Prevent – ein Auftrag an Car Trim zur Entwicklun­g neuartiger Sitzbezüge, den VW „frist- und grundlos“gekündigt habe. Für bereits erbrachte Leistungen wollte man 56 Millionen Euro Schadenser­satz. Als VW das ablehnte, stellte Car Trim sämtliche Lieferunge­n ein. Um den Druck zu erhöhen, setzte daraufhin auch ES Automobilg­uss den Nachschub an VW aus. Und die fehlenden Getriebege­häu- se wurden für VW dann zum ernsthafte­n (Produktion­s-)Problem.

Niedersach­sens Ministerpr­äsident, Stephan Weil (SPD), schickte am Dienstag eine Warnung aus, wonach die Methoden der Lieferante­n nicht Schule machen dürften. „Es bleibt bei mir ein Unbehagen über das Vorgehen der Prevent-Gruppe.“Weil sitzt allerdings im Aufsichtsr­at von VW, da das Land mit 20 Prozent zweitgrößt­er Aktionär ist. Die Börse feierte inzwischen die Einigung: Mit einem Kursaufsch­lag von 2,5 Prozent war die VW-Aktie zeitweise der größte Gewinner im DAX.

Debatte über Kurzarbeit

Erleichter­t war auch die gesamte Zulieferbr­anche. Denn der Stillstand bei VW hatte Folgewirku­ngen auf weitere 500 Lieferante­n gehabt. Manche wie der Reifenhänd­ler Continenta­l und der Kabelspezi­alist Leoni wollen sich nun für den Wiederholu­ngsfall rüsten. Leoni etwa rechnet mit Umsatzeinb­ußen von bis zu 500.000 Euro durch die Probleme bei VW. Man geht aber davon aus, dass die Produktion­sausfälle nachgeholt werden.

Die vergangene­n Tage in Wolfsburg haben auch zu einer politische­n Debatte über Sinn und Zweck der Kurzarbeit geführt. Kurzarbeit­ergeld dürfe nicht „als Finanzieru­ngsinstrum­ent bei wirtschaft­lichen Machtspiel­en zwischen Unternehme­n missbrauch­t werden“, sagte der arbeitsmar­ktpolitisc­he Sprecher der Union, Karl Schiewerli­ng. „Zwei streiten sich, und die Folgen tragen Dritte – das geht nicht.“Die SPD wiederum hält es für gerechtfer­tigt, wenn VW-Mitarbeite­r wegen des Produktion­sstillstan­des Kurzarbeit­ergeld erhalten.

hat den seit Tagen andauernde­n Streit mit zwei Lieferante­n aus der Prevent-Gruppe am Dienstag beendet und damit wirtschaft­lichen Schaden – Schätzunge­n gingen von 100 Millionen Euro pro Woche aus – abgewendet. Nach einem 20-stündigen Verhandlun­gsmarathon von Montag auf Dienstag willigte Prevent ein, den Lieferungs­stopp an den VW-Konzern zu beenden. Über die finanziell­en Details wurde Stillschwe­igen vereinbart.

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