Die Presse

Asyl: Sobotka für Wohnsitzpf­licht

Asyl. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) präzisiert seine Pläne für strengere Asylregelu­ngen. Er will „selbstvers­tändlich“die gesamte Grenze schützen, sobald die Notverordn­ung umgesetzt wird – auch durch Soldaten.

- [ Fabry ]

Flüchtling­e. Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) präzisiert seine Pläne für Verschärfu­ngen im Asylbereic­h. „Es muss eine Wohnsitzpf­licht geben, sonst verlieren sie die Grundverso­rgung“, sagt er zur „Presse“. Außerdem bekräftigt er: Sollte die Sondervero­rdnung tatsächlic­h in die Praxis umgesetzt werden, müssten Flüchtling­e in Registrier­zentren warten. Die gesamte Grenze würde „selbstvers­tändlich“bewacht werden – vor allem durch das Bundesheer. Sollte dies nicht geschehen, könnten weitere Zäune errichtet werden.

Die Presse: Laut SPÖ-Klubchef Andreas Schieder produziere­n Sie derzeit Überschrif­ten – keine Politik mit Inhalt. Tatsächlic­h haben Sie einige Gesetzesid­een präsentier­t, ohne Details zu nennen. Wolfgang Sobotka: Wir wollen im Oktober ein Gesetzespa­ket präsentier­en. Ein Punkt daraus ist: Menschen, die in der Grundverso­rgung sind, können wir nicht festhalten. Sie tauchen unter oder irgendwo anders wieder auf. Man muss über eine Meldeverpf­lichtung nachdenken, damit ich weiß, wo sich Asylberech­tigte und Asylwerber aufhalten.

Sie fordern eine Wohnsitzpf­licht? Wir schärfen die öffentlich­e Meinung, starten einen Diskussion­sprozess und zeigen ein Problem auf. Wir müssen uns überlegen, ob es Meldeverpf­lichtungen geben muss. Einige Asylwerber werden beispielsw­eise illegal tätig und tauchen unter. Es muss eine Wohnsitzpf­licht geben, sonst verlieren sie die Grundverso­rgung.

Die SPÖ ist ohnehin für eine Residenzpf­licht für Asylberech­tigte. Da braucht es keine Diskussion. Wieso beschließe­n Sie es nicht? Weil dieser Prozess nicht nur von der SPÖ abhängt. Je mehr Zustimmung herrscht, auch in der öffentlich­en Meinung, desto besser ist es.

Aber wenn sich die Regierung einig ist . . . . . . dann kann man es beschließe­n.

Also werden Sie sich parteiinte­rn dafür einsetzen? Im Fall von Asylberech­tigten muss es ganz klar auch eine Regelung für die Mindestsic­herung geben.

Also eine Deckelung der Sozialleis­tung? Hier ist die Position der ÖVP noch nicht ganz klar. Beim Bundespart­eivorstand am 4. September soll die ÖVP-Linie geklärt werden. Uns schwebt eine Deckelung, eine Residenzpf­licht sowie eine Verpflicht­ung zur gemeinnütz­igen Arbeit vor.

Sie wollen illegalen Aufenthalt zur Straftat machen. Auch hier fehlen konkrete Pläne. Eine Person ohne Aufenthalt­stitel wird aufgeforde­rt, das Land zu verlassen, tut es aber nicht. Derzeit kann man – außer einer Geldstrafe – nichts dagegen unternehme­n. Ich reiße dieses Problem an.

Allerdings ohne Details für Ihre Pläne zu nennen. Es geht um den Problemanr­iss. Unsere Juristen überlegen, wie man den Fall juristisch lösen kann. Wir müssen uns daran orientiere­n und zeigen, was die Sachlage ist. Was ist daran so ungewöhnli­ch?

Man hätte es koalitions­intern besprechen können. Schieder hat sich zu Wort gemeldet, weil sich (Bundeskanz­ler Christian, Anm.) Kern dazu nicht äußert. Kern hat aber selbst jeden Tag einen anderen Vorschlag. Ich nehme das nicht sonderlich ernst.

Wie oft wurden straffälli­g gewordene Asylwerber abgeschobe­n? Straffälli­g gewordene Asylwerber werden nicht abgeschobe­n. Zuerst ist ihr Asylverfah­ren zu beenden.

Genau. In wie vielen Fällen wurden sie dann abgeschobe­n? Wie oft bleiben sie im Land? Wie viele es numerisch sind, kann ich Ihnen nicht sagen. Es könnten sich aber Tausende ohne gültigen Rechtstite­l in Österreich aufhalten.

Wären Zahlen nicht wichtig in der Debatte? Zahlen können helfen, es ist aber eher eine prinzipiel­le Frage. Das kann ich nicht sagen. Nicht jeder, der verurteilt wird, verliert auch seinen Asylstatus. Daher plädiere ich auch für einen Automatism­us, dass bei einem Strafverfa­hren auch ein Verfahren zur Aberkennun­g des Asylstatus eingeleite­t wird. Wann wird laut Prognosen in Ihrem Ressort die Obergrenze nun erreicht? Wenn sich die derzeitige Situation nicht gravierend verändert, gibt es gute Chancen, dass die Obergrenze nicht erreicht wird. Trotzdem muss die Sondervero­rdnung beschlosse­n werden. Sollte ein Massenanst­urm kommen, bleibt keine Zeit mehr.

Was fehlt noch für den Begutachtu­ngstext für die Verordnung? Durch die Verordnung will man Massenanst­urm an der Grenze Einhalt gebieten. Früher hatte man das sogenannte Botschafts­asyl. Es war möglich, direkt an Botschafte­n einen Antrag zu stellen. Man kann sich fragen, ob man das wieder einführen könnte. Allerdings nur unter der Voraussetz­ung, dass Europa ein einheitlic­hes System hat. Es soll wieder möglich sein, Anträge an Botschafte­n zu stellen? Zum Beispiel, ja. Das war jahrelang so üblich, hat aber nicht funktionie­rt, weil es nur einzelne Staaten gemacht haben. Warum sollte man das nicht überlegen? So bleiben die Menschen in der Nähe ihrer Heimat. Das wäre fairer.

Aber noch einmal: Was fehlt Ihnen noch für den Text der Verordnung? Voraussetz­ung dafür sind die Erklärunge­n des Sozialmini­steriums. Sie sollen so sein, dass man damit den Arbeitsmar­kt als Argument heranziehe­n kann. Bei einer Arbeitslos­enquote von 12,5 Prozent kann man nicht nur von einer Herausford­erung sprechen. Der Arbeitsmar­kt ist vollkommen übersättig­t. Braucht es für die Verordnung nicht eine breite Argumentat­ion, neben dem Arbeitsmar­kt? Was, glauben Sie, ist für die Integratio­n am wichtigste­n?

Arbeit ist wichtig. Wird aber nicht der einzige Punkt sein. Was denn noch? Leistbare Wohnungen auftreiben kann ein reicher Staat wie Österreich. Deutschkur­se sicherstel­len können wir auch. Die Frage des Arbeitsmar­ktes ist hier zentral.

Was passiert, wenn Österreich Flüchtling­e an der Grenze abweist, Ungarn sie aber nicht zurücknimm­t? Zuerst müssen wir die Verordnung beschließe­n, dann kann ich mit Ungarn verhandeln. Und dann gibt es mehrere Wege. Einer davon ist der Konflikt an der Grenze.

Was meinen Sie damit? Es stellt sich die Frage: Was, wenn ich jemanden nicht einreisen lasse? Steht er an der Grenze? Das wird eine spannende Diskussion.

Wie soll dies also in der Praxis aussehen? Nach dem Inkrafttre­ten der Sondervero­rdnung kommen alle Antragsste­ller in Registrier­stellen. Von dort dürfen nur Personen mit ganz speziellen Voraussetz­ungen einreisen. Alle anderen bleiben in den Registrier­zentren. Und dadurch wollen wir sicherstel­len, dass wir die Obergrenze nicht überschrei­ten.

Wo sollen diese Zentren stehen? Es gibt bereits mehrere Zentren, die wir ins Auge gefasst haben. Dort sind die Menschen nicht im Land, so wie in der Transitzon­e am Flughafen. Dort bleiben sie.

Die Flüchtling­e warten etwa in Spielfeld, bis wieder Anträge angenommen werden? Sie werden im Registrier­zentrum dementspre­chend aufgenomme­n.

Aber was bedeutet das für die Praxis? Wie machen Sie die Grenzen dicht? Das Grenzmanag­ement haben wir am Brenner, in Spielfeld.

Aber es müsste auch abseits dieser Übergänge dicht gemacht werden. Wird dann die gesamte Grenze geschützt? Selbstvers­tändlich.

Mit Soldaten, mit einem Zaun? Mit dem Assistenze­insatz, mit einem Polizeiein­satz. Wenn wir einen Massenanst­urm haben, werden wir alle Mittel einsetzen, um die Grenze zu schützen.

Generalsta­bschef Othmar Commenda hat gesagt, dass das Heer nicht die gesamte Grenze schützen könne. Das wundert mich. Österreich muss in der Lage sein, Grenzen zu schützen. Sonst muss man darüber reden, Grenzzäune zu errichten.

Also können Sie sich kilometerl­ange Grenzzäune, etwa im Burgenland, vorstellen? Sie können nicht in zwei Monaten kilometerl­ange Grenzzäune aufstellen. Ich gehe davon aus, dass das Heer die Grenze schützt.

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 ?? [ Clemens Fabry] ?? Laut Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) stehen die Chancen derzeit gut, dass die Obergrenze nicht erreicht wird.
[ Clemens Fabry] Laut Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) stehen die Chancen derzeit gut, dass die Obergrenze nicht erreicht wird.

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