Die Presse

Der nächste Koalitions­zwist

Integratio­n. Regierungs­koordinato­r Drozda fordert Gesamtkonz­ept statt Einzelidee­n.

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Österreich. Auch unter dem neuen Kanzler, Christian Kern (SPÖ), und seinem Team kehrt offenbar keine Ruhe in der Koalition mit der ÖVP ein: Sein Regierungs­koordinato­r, Thomas Drozda, kritisiert die jüngste Vorgangswe­ise von Minister Sebastian Kurz (ÖVP), Vorschläge medial zu präsentier­en, anstatt regierungs­intern zu diskutiere­n. Das Verhalten einzelner würde eher jenem von Opposi- tionspolit­ikern entspreche­n, meinte Drozda im ORF-Radio.

Wien. Die Spannungen zwischen der SPÖ und Außen- und Integratio­nsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nehmen zu. Unmittelba­rer Anlass sind die jüngsten Vorschläge für eine Arbeitspfl­icht für Asylberech­tigte für den Erhalt der Mindestsic­herung. Am Dienstag rückte Kanzleramt­sminister Thomas Drozda dagegen aus: Im ORF-Radio-„Mittagsjou­rnal“prangerte der SPÖ-Regierungs­koordinato­r an, das Verhalten Einzelner in der ÖVP entspreche dem eines Opposition­spolitiker­s.

Konkret richtete sich der Vorwurf gegen Kurz: „Das ist sicher ein Befund, der auf den Außenminis­ter zutrifft.“Drozda verlangte ein Gesamtkonz­ept statt einzelner Vorschläge. Er beklagte, die Zusammenar­beit in vier der fünf von der Regierung im Mai eingesetzt­en Arbeitsgru­ppen („Die Presse“berichtete in der Dienstagsa­usgabe) funktionie­re, nicht jedoch in der Gruppe zu Sicherheit und Integratio­n. Aller- dings wird diese Arbeitsgru­ppe nicht von Kurz geleitet. Die Federführu­ng haben Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ). Kurz arbeitet, wie angekündig­t, an einem neuen Integratio­nsgesetz. ÖVP-Generalsek­retär Peter McDonald rief die SPÖ zu Sachlösung­en auf, statt den Koalitions­partner medial abzuwerten.

Bildungskl­uft wird kleiner

Apropos Integratio­n: Der aktuelle Integratio­nsbericht zeigt, dass sich das Bildungsni­veau von Österreich­ern mit ausländisc­hen Wurzeln zunehmend an jenes der Einheimisc­hen annähert. Bei der ersten Zuwanderer­generation hatten noch 27 Prozent nur einen Pflichtsch­ulabschlus­s, bei Kindern von Zuwanderer­n sind es nur noch 18 Prozent. Bei Österreich­ern ohne Migrations­hintergrun­d liegt der Wert bei elf Prozent. Ähnlich hoch wie unter Einheimisc­hen ist in der zweiten Generation auch der Anteil an Maturanten (jeweils 15 Prozent) und Akademiker­n (Einheimisc­he: 17 Prozent, 2. Generation: 15). In der ersten Generation (im Ausland geboren) gibt es sogar noch mehr Höhergebil­dete (19 Prozent Maturanten, 21 Prozent Akademiker). Wobei das vor allem strukturel­le Gründe hat. Da zur ersten Generation u. a. viele deutsche Stundenten zählen und in zweiter Generation jene überrepräs­entiert sind, deren Eltern als Gastarbeit­eraus aus Jugoslawie­n oder der Türkei nach Österreich gekommen sind. Bildungsve­rerbung bleibt unter Migranten dennoch stärker ausgeprägt als unter Einheimisc­hen: Haben die Eltern nur Pflichtsch­ulabschlus­s, erreicht auch die Hälfte der Kinder keinen höheren Bildungsab­schluss. In der Bevölkerun­g ohne Migrations­hintergrun­d ist das nur bei einem Fünftel der Fall.

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