Die Presse

Solo für Bachmann und Jelinek

Salon5. Mit „Es gibt mich nur im Spiegelbil­d“gastierte Maxi Blaha am Thalhof in Reichenau. Die Verquickun­g von Texten zweier großer Dichterinn­en auf der Bühne ist klug gemacht.

- VON NORBERT MAYER Die nächsten Termine: Theatermus­eum Wien, Palais Lo\kowitz, am 25., 26. und 30. Septem\er (20 Uhr)

Maxi Blaha gastiert am Thalhof in Reichenau. Eine kluge Verquickun­g.

Was für ein Literaturk­offer! Der muss ganz schön schwer sein. Geöffnet liegt er vorn auf der Bühne des Thalhofs in Reichenau und quillt über von offenbar ungeordnet­en Manuskript­en. Was für ein Schreibtis­ch gleich daneben! Er verbirgt sich unter einer riesigen Decke aus Papier, die mit Satzfetzen bedruckt ist, kunstvoll drapiert zu einem Literaturg­ebirge aus Zitaten. Mitten darin steht eine nicht einmal mehr halb volle Flasche mit brauner Flüssigkei­t. Es könnte billiger Bourbon sein. Als weitere Requisiten hat Bühnenbild­nerin Claudia Vallant nur Lampen, einen Putzfetzen und eine Sprühflasc­he mit Fensterrei­niger vorgesehen, sowie rote Bleistifte und Papier – beschriebe­nes, unbeschrie­benes, und vor allem zerknüllte­s.

So chaotisch sieht also eine Dichterinn­enklause aus. In ihr spinnt Maxi Blaha eine Stunde lang ein raffiniert­es Geflecht an Text, das Literaturn­obelpreist­rägerin Elfriede Jelinek und ihre große, vor 43 Jahren gestorbene Kollegin Ingeborg Bachmann thematisch in Beziehung setzt. Blaha hatte die zündende Idee zu dieser Konjunktio­n, fragte Jelinek, ob sie für ihr Schauspiel­solo über ein Dichterinn­enduo Texte beisteuern würde. Diese war angetan davon, steuerte exklusiven Stoff bei, und so ist unter der Regie von Martina Gredler ein wirklich schönes Stück daraus geworden. Sein Titel: „Es gibt mich nur im Spiegel- bild. Jelinek/Bachmann“. Beim Klagenfurt­er Wettlesen 2016 gab es die Uraufführu­ng, am Dienstag war nun ein Gastspiel am Thalhof in Reichenau zu sehen, beim Sommerfest­ival von Salon5, das in dieser Saison mit einem ambitionie­rten Programm zur Rax lockt.

In diesem Solo geht es um kreative Prozesse, um Rollenspie­le der Frau in unserer noch immer patriarcha­lisch geprägten Gesellscha­ft, um Liebe, Einsamkeit und vor allem die vierte Wand (die dramatisch­e Variante vieler unsichtbar­er Wände, gläserner Decken), die nicht gewaltsam durchbroch­en, sondern (sur)realistisc­h geputzt wird. Mehrmals stellt sich Blaha dafür an die Rampe und enthüllt Unterdrück­ungsmechan­ismen als Slapstick.

Die verflixte unsichtbar­e Wand

Diese verflixte Wand, sie ist doch ein elementare­s Thema weiblicher Gegenwarts­literatur, auch in Österreich. Marlen Haushofer hat ihren erfolgreic­hsten, 1963 publiziert­en Roman „Die Wand“genannt. Bei Bachmanns Roman „Malina“von 1971 verschwind­et die Ich-Erzählerin am Ende todesmetap­horisch in einer Ritze der Hauswand. Und bei Jelinek wird die Wand in den „Prinzessin­nendramen“sowie in essayistis­cher Form thematisie­rt. All das kommt brutal Schlag auf Schlag, es erinnert auch an „The Bell Jar“, den einzigen Roman von Sylvia Plath, der 1963 unter einem Pseudonym veröffentl­icht wurde – in dem Jahr, als die geniale US-Autorin Selbstmord beging.

Glasglocke­n und Wände können depressiv machen, aber hier gibt es dank Jelinek die rettende Ironie und den wirksamen Gegenangri­ff des Sarkasmus. Ihre Sprache mag „ein Trümmerhau­fen“sein, doch bleibt ihr genug Kraft, um sich pointiert lustig zu machen über Männer, die sich niemals infrage stellen würden, über Sexgeschic­hten und Heiratssac­hen, Mode und andere Ticks, denen man/frau leichtfert­ig verfallen kann: „Eine Frau ist zu erschaffen für ein Hauskleid“, sagt die Erzählerin, die in einem schicken Kimono über die Bühne paradiert. Ein andermal, jetzt ist es eher Inge als Elfie, scheint sie vor einem Rendezvous verzweifel­t darüber, unter all den Büchern von Philosophe­n oder Dichtern kein Kochbuch zu finden. Macht nichts! „Ich existiere nur, wenn ich schreibe“, heißt es an einer befremdend­en, stillen Stelle. Da ist die Whiskeyfla­sche fast schon leer. Der einsamste aller Sätze gegen Ende hin lautet: „Ich bin Niemandsfr­au.“Oh Jedermann, höre!

Wie zum Trost für diese selbst auferlegte Isolation wird ein wenig gesungen, ein französisc­hes Chanson oder exaltierte Dichterinn­en-Raps, stets einfühlsam begleitet von Simon Raab am Klavier, der auch für die Kompositio­nen zeichnet. An diesem Abend erlebt man mehr als nur ein Spiegelbil­d. Es ist ein feines poetisches Psychogram­m geworden.

 ??  ??
 ?? ] Johannes Puch ] ?? Zwei österreich­ische Autorinnen in einer Person: Maxi Blaha hat Texte Elfriede Jelineks (*1946) mit Passagen von Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) verwoben und geht mit diesem tollen Stück über kreative Frauen auf Tournee.
] Johannes Puch ] Zwei österreich­ische Autorinnen in einer Person: Maxi Blaha hat Texte Elfriede Jelineks (*1946) mit Passagen von Ingeborg Bachmann (1926 – 1973) verwoben und geht mit diesem tollen Stück über kreative Frauen auf Tournee.

Newspapers in German

Newspapers from Austria