Die Presse

Nordkorea provoziert Nachbarn

Nordkorea. Der Rekordflug einer Rakete schockiert die Anrainer am Japanische­n Meer. Tokio protestier­t ratlos, Peking findet klarere Worte der Kritik am Verbündete­n.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Nordkorea schießt wieder Raketen: Japan ist ratlos, Peking reagiert harsch.

Tokio. Kim schießt wieder aus der Hüfte. Am Mittwoch, gegen 5.30 Uhr Ortszeit, feuerte das nordkorean­ische Regime erneut von einem U-Boot Richtung japanische Küste. Erstmals stürzte die Rakete jedoch nicht nach sehr kurzer Zeit in das Japanische Meer, sondern flog bedrohlich­e 500 Kilometer, gab das südkoreani­sche Militär bekannt. Solche Starts sind Pjöngjang zwar per UNO-Resolution untersagt, aber Diktator Kim Jong-un ignoriert die Weltmeinun­g. Er ließ in den vergangene­n Monaten schon mehrfach ballistisc­he Fluggescho­sse abfeuern, auch von U-Booten.

Die besonders schlechte Nachricht daran ist, dass Nordkorea seine Waffentech­nik in der Reichweite offenbar so verbessert hat, dass die jüngste Rakete in Japans Luftraumüb­erwachungs­zone eindringen konnte, ein Seegebiet, in dem Japan gemäß internatio­nalem Recht Wirtschaft­s- und Hoheitsbef­ugnisse ausübt. Zudem muss befürchtet werden, dass Pjöngjang von mobilen Zielen aus die Sicherheit in der Region jederzeit und erst spät erkennbar bedrohen kann. Die Reaktionsz­eit auf Raketen, die von U-Booten aus abgefeuert werden, ist deutlich geringer, als wenn sie von landgestüt­zten Abschussra­mpen kommen.

Japans Premiermin­ister, Shinzo Abe, protestier­te gegen die „ernsthafte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes“. Sein Regierungs­sprecher, Yoshihide Suga, warf Nordkorea die Gefährdung der zivilen Luft- und Schifffahr­t vor: „Es gab keine Vorwarnung und das ist ein extrem gefährlich­er Akt.“Ob und was Japan als Gegenmitte­l im politische­n Repertoire hat, ließ die Regierung jedoch erneut offen.

Kaum Konsequenz­en für Kim Jong-un

Im Gegensatz zu diesen etwas hilflos wirkenden Protesten aus Tokio fand Peking diesmal klarere Worte an die Adresse der Verbündete­n in Pjöngjang. „China lehnt Nordkoreas Nuklear- und Raketenpro­gramm ab und wendet sich gegen alles, was Spannungen auf der koreanisch­en Halbinsel hervorruft“, erklärte Außenminis­ter Wang Yi nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Japan und Südkorea.

Deutliche Worte ja, aber wenig Wirkung – Konsequenz­en müssen Kim Jong-un und Genossen kaum befürchten. Das Regime hat in diesem Jahr bereits mit einem verbotenen Atomtest im Januar und mehreren Raketensta­rts die Welt provoziert, ohne dass ernsthaft etwas dagegen unternomme­n wurde. Wie immer, wenn Kim zündelt, zeigt sich das Dilemma oder gar die Ohnmacht der internatio­na- len Gemeinscha­ft. Man verlässt sich darauf, dass Pjöngjangs unmittelba­rer Nachbar und ideologisc­h langjährig­er Verbündete­r Peking das Regime zur Räson bringen kann.

Der Jungdiktat­or baut jedoch offenbar darauf, dass die chinesisch­e Führung zu diesem Zeitpunkt und im Eigeninter­esse stillhalte­n wird. Bisher ist Peking trotz Drängens aus Washington stets davor zurückgesc­hreckt, die Wirtschaft­s- und Energiehil­fe einzustell­en und bewahrt damit das Regime vor dem Zusammenbr­uch. Aber auch patriotisc­he Hardliner in Seoul bestärken die Risikobere­itschaft des Nordens indirekt. Dessen Militärpro­vokationen eignen sich hervorrage­nd als Argument für den südkoreani­schen Wunsch nach eigenen Atomwaffen. Und Seoul hat schlicht Angst davor, dass ein Kollaps des nordkorean­ischen Regimes Millionen von Flüchtling­en über die Grenze treibt.

Also wird protestier­t und manchmal auch sanktionie­rt, aber im Prinzip lässt man die Scharfmach­er in Nordkorea gewähren. Notfalls muss als Begründung sogar eine fadenschei­nige Selbstbesc­huldigung herhalten. So sieht die Militärfüh­rung in Seoul ein kurz zuvor begonnenes südkoreani­sch-amerikanis­ches Manöver als möglichen Vorwand des Raketentes­ts an. Bisher haben die Staatsmedi­en in Pjöngjang selbst diesen Konnex nicht hergestell­t. Allerdings hat der Propaganda­apparat vor zwei Tagen im Manöverkon­text zum wiederholt­en Mal mit einem atomaren Erstschlag gedroht.

 ?? [ Reuters ] ?? Der neue Vater der Nation. Kim Jong-un mit Schulkinde­rn anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums der Republik.
[ Reuters ] Der neue Vater der Nation. Kim Jong-un mit Schulkinde­rn anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums der Republik.

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