Die Presse

Drogenkrim­inalität erreicht Höchststan­d

Polizei. 32.907 Anzeigen im Jahr 2015 – das ist ein Anstieg um 8,8 Prozent. Auch für 2016 geht der Trend nach oben.

- DONNERSTAG, 25. AUGUST 2016

Wien. Wer die vergangene­n Monate mit offenen Augen durch die Straßen von Österreich­s Städten ging, der konnte vielen Kleindeale­rn bei ihrer Arbeit zusehen. Insbesonde­re in Wien, wo in der ersten Jahreshälf­te vor allem Gürtel und Praterster­n zu Problemzon­en wurden, musste man an manchen Orten fast wegschauen, um das aggressive Anbieten von Drogen nicht zu bemerken. Und diese subjek- tiven Wahrnehmun­gen haben nun auch eine belastende Datenbasis.

Der neue „Suchtmitte­lbericht“des Bundeskrim­inalamts stellt zwar „nur“die Lage des Jahres 2015 dar. Allerdings wurde schon damals die Basis für die Auswüchse des Jahres 2016 gelegt. 32.907 Anzeigen nach dem Suchtmitte­lgesetz bedeuten nicht nur einen historisch­en Rekord, sondern entspreche­n einem starken Anstieg von 8,8 Prozent vom ohnehin bereits hohen Niveau des Jahres 2014 (30.250) aus. Das erscheint einerseits besorgnise­rregend, lässt anderersei­ts jedoch nur bedingt Rückschlüs­se auf das reale Aus- maß des Phänomens Drogenkrim­inalität zu. Wenn die Zahl der Anzeigen steigt, bedeutet das zunächst nämlich nur, dass die Polizei mehr in diese Richtung ermittelt. Umgekehrt sind Schwerpunk­taktionen der Exekutive, wie sie bereits im Vorjahr begonnen haben, jedoch häufig direkte Reaktionen auf offensicht­lich gewordene Missstände, eben zum Beispiel an Hotspots im öffentlich­en Raum.

Rückschlüs­se von der Zahl der Anzeigen auf den Drogenmark­t zu ziehen ist auch deshalb schwer möglich, weil allein die technische­n Möglichkei­ten der Polizei automatisc­h zu einer Unzahl von Anzeigen führen. Wo früher für eine Anzeige ein Verdächtig­er über Tage observiert wurde, reicht heute oft die Beschlagna­hmung und Auswertung eines Mobiltelef­ons, um Dutzende Personen eines Strafdelik­ts zu verdächtig­en. Streng genommen bedeuten mehr Anzeigen nur, dass sich die polizeilic­he Wahrnehmun­g der Realität annähert.

Viele Serben unter den Bossen

Deutliche Aussagen lassen sich jedoch über Veränderun­gen innerhalb des Markts sagen. Der Anteil der Nichtöster­reicher unter den Tatverdäch­tigen ist im Lauf der vergangene­n Jahre stark gestiegen (siehe Grafik). Nimmt man Vergehen und Verbrechen (also Taten, die mit mehr als drei Jahren Haft bedroht sind) zusammen, ist jeder dritte Angezeigte Ausländer. In der Sonderausw­ertung für Verbrechen stammt inzwischen schon fast jeder Zweite (48,9 Prozent) aus dem Ausland. Das bedeutet: Unter den Bossen, Banden und Großhändle­rn sind Fremde überpropor­tional stark vertreten.

Bemerkensw­ertes zeigt ein Blick in die Nationenau­swertung. Aus ihr wird ersichtlic­h, dass die öffentlich stark wahrgenomm­enen Dealer aus Nigeria, Marokko, Algerien und Afghanista­n fast immer „nur“wegen Vergehen, also kleinerer Delikte wie Handel in Kleinstmen­gen angezeigt werden. Die „schweren Jungs“, also Personen, die wegen des Handels mit großen Mengen in der Statistik aufscheine­n, stammen zu einem überwältig­enden Teil aus Serbien. 227 entspreche­nde Tatverdäch­tige aus diesem Land – das sind mehr als alle aus Nigeria, Marokko, Algerien und Afghanista­n zusammen (212).

Cannabis als Verkaufssc­hlager

Der große Bringer auf dem Drogenmark­t sind derzeit Cannabispr­odukte in jedweder Form. Die Verkäufer würden dafür sogar mit Traditione­n brechen, berichtet Gerhard Stadler, Leiter des Büros für Suchtmitte­lkriminali­tät im Bundeskrim­inalamt. Wären die Straßendea­ler aus Nigeria früher vor allem für den Vertrieb von Kokain und Heroin bekannt gewesen, hätten diese ihr Geschäftsm­odell inzwischen total umgestellt. Zwei von drei Tatverdäch­tigen aus Nigeria landen inzwischen wegen des Verkaufs von Cannabis in der Statistik.

Nach den Analysen des Bundeskrim­inalamts haben die verstärkte­n Aktivitäte­n von Dealern und Polizei unmittelba­r mit der Migrations­bewegung des Jahres 2015 zu tun. Da diese im Vorjahr in der zweiten Jahreshälf­te ihren Höhepunkt erreichte, dürften deren Effekte auf dem Sektor der Drogenkrim­inalität erst 2016 voll durchschla­gen. Zu tun hat das nach Meinung der Experten damit, dass viele Personen nach einem negativen Asylbesche­id wegen Geldmangel­s und Perspektiv­losigkeit leicht von Kriminelle­n anzuwerben sind. Bei diesen Personen beträgt die Dauer zwischen Einreise und erstem Konflikt mit dem Gesetz sieben bis elf Monate. Aktuelle Trendbeoba­chtungen würden diese Theorie stützen. (awe)

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