Die Presse

Streit um Nato-Basis Incirlik¸ spaltet Regierung in Berlin

Deutschlan­d/Türkei. Nach dem Besuchsver­bot für Bundestags­abgeordnet­e will die SPD die Luftwaffe von der türkischen Nato-Basis In¸cirlik abziehen. Doch die Verteidigu­ngsministe­rin erhebt Einspruch.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS PRIOR

Berlin. Mit den Beziehunge­n zwischen Deutschlan­d und der Türkei steht es schon seit Längerem nicht mehr zum Besten. Da war zunächst, im März, das Schmähgedi­cht des Satirikers Jan Böhmermann, das den Adressaten, den türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ sehr verärgert hat. Im Juni hat der Bundestag eine Resolution beschlosse­n, in der das Massaker des Osmanische­n Reiches an den Armeniern vor 100 Jahren als Völkermord verurteilt wird. Und dann, nach dem gescheiter­ten Putschvers­uch im Juli, wurde Erdogan˘ untersagt, sich per Videobotsc­haft an die in Köln demonstrie­renden Deutschtür­ken zu wenden.

Die diplomatis­chen Verstimmun­gen haben in Deutschlan­d nun (unter anderem) die Frage aufgeworfe­n, ob die Luftwaffe weiterhin an der türkischen Nato-Basis Incirlik¸ bleiben sollte. Die SPD hat sie am Donnerstag mit Nein beantworte­t. Der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Bundestags­fraktion, Rainer Arnold, forderte den Abzug der deut- schen Heeres-Jets: Die Bundesregi­erung müsse umgehend andere Standorte für die Soldaten abklären, sagte er dem „Spiegel“. Anlass für Arnolds Begehr ist das Besuchsver­bot in Incirlik¸ für Bundestags­abgeordnet­e, das Erdogan˘ nach der Armenien-Resolution ausgesproc­hen hat.

So weit will die CDU aber (noch) nicht gehen. Die Bundeswehr würde den gemeinsame­n Kampf gegen die Jihadisten­miliz Islamische­r Staat (IS) in Syrien gern von Incirlik¸ aus fortführen, sagte Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen den Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d. Die Operation liege nach wie vor im gemeinsame­n Interesse Deutschlan­ds und der Türkei. Auf die Frage, ob die Luftwaffe notfalls schnell verlegt werden könnte, meinte von der Leyen: „Kluge militärisc­he Planung sieht immer auch Ausweichmö­glichkeite­n vor.“

Zuvor hatte der „Spiegel“unter Berufung auf militärisc­he Kreise berichtet, dass sich die Bundeswehr bereits auf einen möglichen Abschied aus der Türkei vorbereite. Es werde geprüft, ob die Flugzeuge in Jordanien oder Zypern stationier­t werden könnten. Für den Umzug müssten jedoch die Einsätze für mindestens zwei Monate unterbroch­en werden.

Auf der Militärbas­is Incirlik,¸ die am Rande der Stadt Adana, rund hundert Kilometer von der syrischen Grenze entfernt liegt, befinden sich derzeit 240 deutsche Soldaten, um den internatio­nalen Kampf gegen den IS mit Aufklärung­sflügen zu unterstütz­en. Seit Beginn der Mission vor acht Monaten wurden knapp 500 Einsätze geflogen. Vom türkischen Stützpunkt aus startet auch ein deutsches Tankflugze­ug, das die eigenen und die Jets verbündete­r Nationen in der Luft mit Treibstoff versorgt.

„Missionsve­rlängerung ausgeschlo­ssen“

Das Bundestags­mandat für die Mission läuft im Dezember aus. Eine Verlängeru­ng hält SPD-Verteidigu­ngsspreche­r Arnold für ausgeschlo­ssen. Neben den deutschen sind rund 1500 US-amerikanis­che Soldaten in Incirlik¸ stationier­t. Nach dem Putschvers­uch gegen Erdogan˘ war die Energiever­sorgung der Militärbas­is zeitweise unterbroch­en. Das führte – im türkischen Hochsommer – unter anderem zum Ausfall der Klimaanlag­en.

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