Die Presse

Sozialdemo­kraten berieten EU-Krise

Treffen bei Paris. Fran¸cois Hollande lud seine Parteikoll­egen zu einer Debatte. Bundeskanz­ler Kern forderte eine ehrlichere Haltung der EU-Partner gegenüber der Türkei.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Paris. Diesmal hat der französisc­he Präsident seine Gäste nicht im Elysee-´Palast empfangen, sondern ein wenig außerhalb von Paris, im Chateauˆ Celle-Saint-Cloud, wo das Klima an diesem Hitzetag mit Temperatur­en von über 37 Grad erträglich­er war als in der Hauptstadt. Die politische Wetterlage war unter den politisch (mehr oder weniger) gleich gesinnten Sozialdemo­kraten dagegen immer noch von der kontinenta­len Störung gekennzeic­hnet, die von der britischen Insel her wegen des Brexit-Votums die ganze EU durchschüt­telt.

In Saint-Cloud sollten am Donnerstag gemeinsame sozialdemo­kratische Vorstellun­gen für die Gestaltung der EU ausgearbei­tet werden. Neben den französisc­hen Gastgebern beteiligte­n sich der deutsche SPD-Vorsitzend­e, Sigmar Gabriel, und der österreich­ische Bundeskanz­ler, Christian Kern, dessen Amtskolleg­en Robert Fico (Slowakei), Antonio Costa (Portugal), Alexis Tsipras (Griechenla­nd) sowie EU-Parlaments­präsident Martin Schulz. Der italieni- sche Ministerpr­äsident, Matteo Renzi, musste wegen der Erdbebentr­agödie absagen.

Auch ohne Renzi schwindet die Zahl der sozialdemo­kratischen Staats- oder Regierungs­chefs der EU. Das französisc­he Onlinemaga­zin „Atlantico“spricht sogar von „einem Schwanenge­sang“und bemerkt zu diesem Treffen der Parteifreu­nde, die Sozialdemo­kraten in Europa seien entweder schon in Opposition oder dabei, demnächst abgewählt zu werden. In mehreren Ländern hätten sie Mühe, dem Vormarsch rechtspopu­listischer Kräfte oder – vor allem in den südlichen Ländern – dem Erstarken radikaler Linksparte­ien standzuhal­ten.

Aus österreich­ischer Sicht existierte bei der EU-Debatte ein weitgehend­er Konsens darüber, dass der Vertrauens­verlust der Bürger in die EU nach dem Brexit nur zu überwinden ist, wenn rasch konkrete Antworten auf deren Anliegen gefunden würden. Dazu zählen die Sicherheit und der Schutz der EU-Außengrenz­en sowie das Wohlstands­verspreche­n. Die Investitio­nsprogramm­e dürften deshalb nicht mit den haushaltsp­olitischen Zielen in Konflikt geraten. Ein wichtiges Anliegen der Sozialdemo­kraten ist die Steuergere­chtigkeit, da praktisch jeder Teilnehmer Beispiele für Konzerne nennen konnte, die praktisch keine Steuern entrichten.

Natürlich wurde auch über die Türkei nach dem Putschvers­uch diskutiert. Für Bundeskanz­ler Kern dürfe sich die EU nicht in die Position einer Bittstelle­rin drängen lassen, sie müsse Ankaras Regierung offen sagen, dass die Türkei sich auf dem falschen Weg befinde und dies Folgen für die EU-Beitrittsv­erhandlung­en haben werde.

 ?? [ APA ] ?? Bundeskanz­ler Christian Kern mit Staatspräs­ident Francois¸ Hollande.
[ APA ] Bundeskanz­ler Christian Kern mit Staatspräs­ident Francois¸ Hollande.

Newspapers in German

Newspapers from Austria